EXPORT- UND ZOLLPRAXIS KOMPAKT
Exportkontrolle in der Praxis
Dual-Use-Prüfung von großen Materialstämmen
Text: Malte Prien | Foto (Header): © Kmatta – stock.adobe.com
Mit der zunehmenden Globalisierung steigt auch die Bedeutung der Exportkontrolle. Jedoch stellt ausgerechnet diese viele Unternehmen vor eine große Herausforderung. Denn auch Unternehmen, welche nicht im Rüstungsbereich tätig sind, können schnell in den Geltungsbereich der Verordnung kommen. Vor allem bei großen Materialstämmen ist es schwierig, den Überblick zu behalten.
Auszug aus:
Zoll.Export
Ausgabe Februar 2021
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Verbote und Genehmigungspflichten fungieren als Umsetzungsinstrumente der Exportkontrolle. Welche Güter davon betroffen sind, steht u. a. in der Anlage zur Außenwirtschaftsverordnung (Ausfuhrliste – AL) und insbesondere im Anhang I zur EG-Dual-Use-Verordnung. Dort werden die technischen Parameter dieser Güter definiert und in sog. Güterlisten aufgelistet.
Tipp: Die Anhänge zur EG-Dual-Use-Verordnung finden Sie unter https://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/Gueterlisten/gueterlisten_node.html
Beispiel aus der Praxis
Das einfache Edelstahlventil für eine Zapfanlage ist ein Dual-Use-Gut mit der Ausfuhrlistennummer (ALNUM) 2B350g, Laut EGDual-Use-Verordnung Anhang 1 Kategorie 2 sollte es folgende Eigenschaften besitzen:
„Ventile und Bestandteile mit den Eigenschaften wie folgt:
- Nennweite größer als 10 mm (3/8 Zoll) und
- alle medienberührenden Flächen bestehen aus korrosionsbeständigen Werkstoffen oder Materialien.“
Dual-Use bedeutet eine doppelte Verwendbarkeit von Gütern für zivile als auch militärische Zwecke. Diese Dual-Use-Güter dürfen nicht ohne Ausfuhrgenehmigung exportiert werden.
In diesem Fall lohnt sich ein Blick in die technischen Spezifikationen des Ventils. Nach eingehender Prüfung der technischen Datenblätter und Zeichnungen musste festgestellt werden, dass dieses Dual-Use-Gut über mehrere Jahre exportiert wurde, ohne dass es gemeldet wurde. Es war ja auch nur für eine Zapfanlage gedacht. Trotzdem kostete dieser Fehler nicht nur viel Geld, der Verantwortliche sah auch einer mehrjährigen Haftstrafe entgegen.
Exportkontrolle – warum überhaupt?
Der Export von bestimmten Gütern kann genehmigungspflichtig sein. Und in besonderen Fällen ist die Lieferung bestimmter Güter in bestimmte Länder sogar verboten.
Dabei reicht es nicht, sich auf sein Bauchgefühl zu verlassen. Eine einfache Pumpe kann oder kann nicht genehmigungspflichtig sein – entscheidend sind die technischen Eigenschaften: In diesem Fall die Dichtung, Fördermenge und Materialbeschaffenheit der medienberührenden Flächen.
Generell gilt in Europa der Grundsatz des freien Warenverkehrs. Jedoch sind Einschränkungen auf Grundlage von § 4 Absatz Außenwirtschaftsgesetz (AWG) möglich.
Diese Einschränkungen sollen verhindern, dass der Export konfliktverstärkend noch zur Unterdrückung oder zu Menschenrechtsverletzungen beiträgt. Exportkontrollen sollen diese Einschränkungen sichern. Ob Exportkontrollvorschriften für eine Lieferung bestehen, hängt ab von:
- dem, was geliefert werden soll.
- dem Land, in welches exportiert werden soll.
- dem Empfänger der Lieferung
- dem Zweck des Guts.
Exportkontrollen werden ebenfalls für die Durchsetzung von Embargomaßnahmen eingesetzt. Embargos werden u. a. vom UN-Sicherheitsrat beschlossen und beschränken oder untersagen den Außenwirtschaftsverkehr mit bestimmten Ländern, bestimmten Waren oder bestimmten Personen.
Neben der Beantragung und Nutzung von Genehmigungen müssen die Verantwortlichen in Unternehmen Güter klassifizieren, die Verwendungszwecke der Güter überwachen und Bereitstellungsverbote aus Embargoverordnungen beachten.1
Und wer haftet?
Dabei stellt sich die Frage, wie diese Verstöße geahndet werden und wer für diese Verstöße haftet. Da es in Deutschland kein Unternehmensstrafrecht gibt, kann das Unternehmen als juristische Person nicht belangt werden. Eine natürliche Person muss her.
Exportkontrolle ist Chefsache
Die Geschäftsführung oder ein beim BAFA angemeldeter Exportkontrollbeauftragter kann als Ausfuhrverantwortlicher eine funktionierende Organisation sicherstellen. Dieser gilt als Verantwortlicher, an den sich der Strafanwalt und andere Behörden bei Verstößen gegen die Exportkontrollvorschriften wenden.2
Die Herausforderung liegt in den Stammdaten
Und doch, trotz drohender straf- und bußgeldrechtlicher als auch zivilrechtlicher Haftung, sind viele Außenhandelsstammdaten nicht vollständig gepflegt, Dual-Use-Güter werden nicht erkannt und Genehmigungen nicht eingeholt.
Das liegt zum einen an der Vielschichtigkeit und Komplexität des deutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitsrechts und ein damit einhergehendes Halboder Unwissen. Gleichzeitig sind Verstöße zwischen zoll- und exportrechtlichen Vorgaben schwer differenzierbar. Zum anderen sehen sich viele Unternehmen selbst nicht in betroffenen Bereichen tätig.
Dabei reicht bereits ein einzelner, unentdeckter Treffer in der Ausfuhrliste aus, um sich im Zuge der Exportkontrolle strafbar zu machen.
Achtung!
Aluminiumstangen mit einem Durchmesser von mehr als 75 mm sind immer genehmigungspflichtig. Egal welchem Zweck sie dienen und in welches Land sie exportiert werden. Beim Außenwirtschaftsverkehr mit dem Iran ist bereits der Vertragsschluss immer genehmigungspflichtig!
Best Practice
Wie geht man also vor, möchte man den Export seiner Güter in Übereinstimmung mit allen aktuellen Regelwerken reibungslos ausführen?
Grundsätzlich sollte jedes exportierende Unternehmen Ressourcen für ein internes Kontrollsystem bereitstellen. Dafür müssen die Stammdaten aufbereitet, die Mitarbeiter geschult und ein Ausfuhrverantwortlicher bestimmt werden.
In diesem Zuge sollte jedes einzelne, branchenunabhängige Gut anhand seiner technischen Spezifikationen nach Listung in der EG-Dual-Use-Verordnung überprüft werden. Durch diesen Vorgang kann man exportkontrollrechtliche Konsequenzen ausschließen.
Zolltarifnummer als Basis der Dual-Use-Prüfung
Der Dienstleister eDOC AS geht einen anderen Weg. Er prüft Materialstämme nach Dual-Use-Gütern auf Basis der vergebenen Zolltarifnummer.
Die Zolltarifnummer ist üblicherweise die Schnittstelle der Stammdaten im Außenhandel zur Zollabwicklung. In diesem Fall jedoch bildet die Zolltarifnummer die Schnittstelle zum Umschlüsselungsverzeichnis. Die Zolltarifnummer wird einer oder mehreren Ausfuhrlistennummern (ALNUM) und einer stark verkürzten Beschreibung zugeordnet. Diese „Treffer“ müssen bestätigt oder ausgeschlossen werden.
Tipp: Das Umschlüsselungsverzeichnis finden Sie unter https://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/Gueterlisten/gueterlisten_node.html
Beispiel 1
Das Stirnradgetriebe mit der Zolltarifnummer 84834021 liefert den Treffer 8A002o (vgl. linke Abbildung 1 auf Seite 22).
Lösung:
In diesem Beispiel korreliert die Zolltarifnummer 84834021 mit der Ausfuhrlistennummer 8A002o. Hier konnte direkt ausgeschlossen werden, dass das zu prüfende Stirnradgetriebe dem beschriebenen Bereich entspricht, ohne eine Detailprüfung in den Anhängen der EGDual-Use-Verordnung durchzuführen.
In den meisten Fällen reicht der Ausschluss durch das Umschlüsselungsverzeichnis nicht aus. Hier müssen die einzelnen Anhänge der EG-Dual-Use-Verordnung überprüft werden.
Beispiel 2
Bei der Prüfung eines Netzteils mit der Zolltarifnummer 85044090 gab es mehrere Treffer im Umschlüsselungsverzeichnis (vgl. linke Abbildung 2 auf Seite 22).
Lösung:
In diesem Beispiel war es von Bedeutung, die technischen Datenblätter und Zeichnungen einzusehen. Somit konnte identifiziert werden, dass es sich um ein handelsübliches Netzteil zur geregelten Outdoor-Stromversorgung handelt. Die Treffer der Ausfuhrlistennummern konnten ausgeschlossen werden.
Unternehmen mit großen Materialstämmen haben oft keine Kapazitäten übrig, um jeden einzelnen Posten prüfen zu können. Der Weg über die Zolltarifnummern, sofern diese gepflegt und korrekt zugeordnet wurden, bietet hierbei eine enorme Zeitersparnis. Für diese Herangehensweise muss man sich jedoch auf die vergebene Zolltarifnummer verlassen können.
Beispiel aus der Praxis
Bei dem Materialstamm eines Windkraftunternehmens konnte EDOC AS bereits 70 % der Einträge durch die Treffer im Umschlüsselungsverzeichnis ausschließen. Im nächsten Schritt der Plausibilitätsprüfung konnten die Treffer nach Bereich und Zweck in kürzester Zeit zusätzlich noch halbiert werden. Somit verblieben lediglich wenige Prozente des ursprünglichen Materialstamms, welche nach der EG-Dual-Use-Verordnung und ihrer technischen Beschaffenheit geprüft werden mussten.
Fazit
Die Bedeutung von Datenqualität bei Außenhandelsprozessen wächst kontinuierlich. Denn auch das BAFA nutzt mittlerweile immer mehr IT-Lösungen, um Kontrollprozesse zu automatisieren und effizienter zu gestalten. Unternehmen müssen Kapazitäten bereitstellen, da selbst in harmlosen Bereichen, exportkontrollrelevante Treffer in der Ausfuhrliste vorkommen können.
Für Effizienz und Übersicht bei großen Materialstämmen sorgt der (Um-)Weg über die Zolltarifnummer und das Umschlüsselungsverzeichnis. Voraussetzung hierfür ist, dass die Außenhandelsstammdaten gepflegt sind und die richtige Zolltarifnummer vergeben wurde.
1 https://www.bafa.de/SharedDocs/Downloads/DE/Aussenwirtschaft/afk_merk-blatt_exportkontrolle_bafa.pdf?__blob=publicationFile&v=8, Zugriff 25.11.2019
2 § 14 I StGB für Straftaten und § 9 I Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) für Ordnungswidrigkeiten, Zugriff 25.11.2019
Der Autor
Malte Prien ist Prokurist und Leitung Vertrieb bei dem Familienunternehmen eDOC AS. Das inhabergeführte Unternehmen beschäftigt ca. 125 Mitarbeiter an drei Standorten in Deutschland mit Sitz in Hamburg.
eDOC AS ist ein führender Dienstleister für Stammdatenqualität im Außenhandel.