Export- und Zollpraxis Kompakt
Das Lieferkettengesetz – Auswirkungen für Unternehmen
Bereiten Sie sich schon jetzt auf die sehr wahrscheinlichen Konsequenzen vor
Text: Holger Schmidbaur | Foto (Header): © j-mel – stock.adobe.com
Ob Sie es glauben wollen oder nicht: Das Lieferkettengesetz wird sich zwangsläufig auch auf Sie und damit auf die Zollabteilung in Ihrem Unternehmen auswirken. Dies ist nicht nur allein schon der Tatsache geschuldet, dass die überwachende Behörde das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sein wird. Vielmehr sind Aspekte der Sorgfaltspflicht auch schon im zollrechtlichen Alltag gang und gäbe.
Auszug aus: Zoll.Export 06/2022
Zoll.Export
Ausgabe Juni 2022
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INHALTE DES BEITRAGS
Diese Regelungen bringt das Lieferkettengesetz mit sich
Was müssen Unternehmen zukünftig beachten?
Welche Abteilungen sind vom Lieferkettengesetz betroffen?
Importprozesse müssen mit neuen Lieferanten erst wieder eingespielt werden
Es könnten höhere Zollabgaben auf Sie zukommen und Ihre KPI zunichtemachen
Die Abfrage von Präferenzen bei Ihren Lieferanten könnte wieder in den Fokus rücken
Wirkt sich das Lieferkettengesetz nun auch auf den AEO aus?
Nutzen Sie die Chance, auch zollrechtliche Belange in die Verträge aufzunehmen
Wer hat nun letztlich den Hut auf? Nach meiner Überzeugung der Einkauf
Auch wenn man in der medialen Präsenz aufgrund des Kriegs in der Ukraine und dem neuen Angstthema der Inflation weniger vom Lieferkettengesetz hört und liest als zuvor, tritt es zum 01.01.2023 in Kraft. Denn dies ist beschlossene Sache, sodass hier keine Veränderungen oder Verschiebungen mehr zu erwarten sind.
Auswirkungen werden wir in den verschiedensten Sektoren der Wirtschaft spüren, auch wenn die Kostenquote für ein freiwilliges nachhaltiges Lieferkettenmanagement in Deutschland zwischen 0,005 und 0,6 % des Unternehmensumsatzes liegt. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die das Handelsblatt Institut durchgeführt hat. Damit wird eine Studie der Europäischen Union (EU) grundsätzlich bestätigt, die die Zusatzbelastung für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten auf weniger als 0,01 % des Umsatzes schätzt. Bei kleineren Firmen könnte der Verwaltungsaufwand dagegen auf bis zu 0,14 % des Umsatzes anwachsen.
Diese Regelungen bringt das Lieferkettengesetz mit sich
Ausgangspunkt sind die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Nach diesen UN-Prinzipien soll der weltweite Handel den Schutz der Menschenrechte in Form der „Nationalen Aktionspläne“ (NAP) umsetzen.
Das Lieferkettengesetz, das eigentlich korrekt Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) heißt, gilt für alle größeren Unternehmen mit Sitz in Deutschland, ungeachtet der jeweiligen Rechtsform. Die Einführung erfolgt in zwei Stufen. Demnach sind zunächst nur die größeren Unternehmen betroffen. Die zwei Stufen sehen wie folgt aus:
- ab 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden in Deutschland (ca. 600 Unternehmen)
- ab 2024 für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden in Deutschland (ca. 2.900 Unternehmen).
Im Wesentlichen soll die Schutzwirkung der UN-Prinzipien erreicht werden, weshalb die folgenden Bereiche vom neuen Gesetz eingeschlossen sind:
- Unversehrtheit von Leben und Gesundheit
- Freiheit von Sklaverei und Zwangsarbeit
- Schutz von Kindern und Freiheit von Kinderarbeit
- Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen
- Schutz vor Folter
- Verbot der Missachtung der jeweils national geltenden Pflichten des Arbeitsschutzes
- Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohnes; Einhaltung der Mindestlohnregelungen
- Verbot der Ungleichbehandlung und Diskriminierung der Beschäftigten, wobei eine Ungleichbehandlung auch die Zahlung ungleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit umfasst
- Verbot des widerrechtlichen Entzugs von Land, Wäldern und Gewässern bei dem Erwerb, der Bebauung oder anderweitigen Nutzung
- umweltbezogene Pflichten zum Schutz der menschlichen Gesundheit
- das Verbot der Ausfuhr gefährlicher Abfälle im Sinne des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle
Was müssen Unternehmen zukünftig beachten?
Hauptbestandteil des Lieferkettengesetzes soll die Festlegung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen sein. Bislang hat das deutsche Recht für Unternehmen lediglich eine Berichterstattungspflicht über Maßnahmen zur Einhaltung von Menschenrechten innerhalb der Lieferkette vorgesehen. Nach dem neuen Lieferkettengesetz bestehen nunmehr weitere Sorgfaltspflichten. Damit müssen Unternehmen folgende Maßnahmen umsetzen:
- Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte verabschieden
- Verfahren zur Ermittlung nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte durchführen (=Risikoanalyse)
- Risikomanagement, das auch Abhilfemaßnahmen zur Abwendung potenziell negativer Auswirkungen auf die Menschenrechte vorsieht
- Beschwerdemechanismus einrichten
- Dokumentation und Berichterstattung
Das Risikomanagement der Unternehmen wird allerdings nicht am Erfolg gemessen, sondern daran, ob das geforderte Risikomanagement Maßnahmen ergriffen hat. Diese müssen im Hinblick auf das einzelne Unternehmen angemessen und zumutbar sein. Dabei orientiert man sich an der Art der Geschäftstätigkeit, der Wahrscheinlichkeit, mit der sich Risiken ergeben können, und der Schwere eines möglichen Schadens. Dabei müssen Firmen auch die tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten des Unternehmens innerhalb seiner Lieferkette einbeziehen.
Im Fall einer entdeckten Verletzung muss das Unternehmen im eigenen Geschäftsbereich unverzüglich Abhilfemaßnahmen ergreifen, die zwingend zur Beendigung der Verletzung führen. Zudem müssen sie weitere Präventionsmaßnahmen einleiten. Wenn das Unternehmen die Verletzung beim unmittelbaren Zulieferer nicht in absehbarer Zeit beenden kann, muss es einen konkreten Plan zur Minimierung und Vermeidung aufstellen.
Damit kann man zusammenfassend festhalten, dass mit dem Lieferkettengesetz keine neuen zivilrechtlichen Haftungsreglungen geschaffen werden. Jedoch sind bei Verstößen Bußgelder möglich. Allerdings scheint die Ausgestaltung der Formulierungen weich zu sein.
Welche Abteilungen sind vom Lieferkettengesetz betroffen?
Das Lieferkettengesetz wird Auswirkungen auf verschiedenste Abteilung innerhalb ihres Unternehmens haben. Damit Sie sich einmal vorstellen können, wie weiterreichend die Auswirkungen sein können (dies ist natürlich je nach Unternehmensgröße und Abteilung zum Teil unterschiedlich), möchte ich Ihnen einmal einen Abriss der möglichen beteiligten Abteilungen geben:
- operativer Einkauf
- strategischer Einkauf
- Compliance-Abteilung (die regelmäßig in der Rechtsabteilung angesiedelt ist)
- Logistik (auch der Verantwortliche für das Transportmanagement, vorausgesetzt, dass dieser in der Logistik angesiedelt ist. Dies könnte jedoch auch beim Einkauf sein.)
Importprozesse müssen mit neuen Lieferanten erst wieder eingespielt werden
Die Sorgfaltspflicht, wie oben angesprochen, führt dazu, dass Unternehmen ihre Lieferanten in Zukunft vermutlich genauer überprüfen und auch kontrollieren müssen. Dabei ist es nicht auszuschließen, dass bei diesem Überwachungs- und Kontrollprozess bestehende Lieferantenstrukturen aufgebrochen werden müssen. Das bedeutet, dass sie von einem zuverlässigen Lieferanten, den sie bereits aktuell haben, ggf. zu einem neuen Lieferanten wechseln müssen.
In diesem Zusammenhang müssen sich dann natürlich die Importprozesse erst wieder einspielen. Auch die Informationen auf den entsprechenden Lieferdokumenten müssen zu 100 % nachgeprüft werden. Darüber hinaus ist es auch gut denkbar, dass in diesem Zusammenhang erst detaillierte Anweisungen gegeben werden müssen, damit die Importabwicklung in Europa auch reibungslos funktioniert.
Stellen Sie sich also schon heute auf mehr Arbeit ein. Denn es wird aufgrund des Lieferkettengesetzes zwangsläufig zu einer Überprüfung aller Lieferanten kommen, die am Ende auch sicherlich zu einer neuen Lieferantenstruktur führen wird.
Es könnten höhere Zollabgaben auf Sie zukommen und Ihre KPI zunichtemachen
Die Auswahl neuer Lieferanten kann auch dazu führen, dass Sie Importe und Warenlieferungen aus anderen Regionen erhalten, bei denen plötzlich höhere Zollabgaben anfallen. Dies kann aufgrund fehlender Präferenzabkommen, fehlender Präferenzdokumente oder auch Antidumpingmaßnahmen der Fall sein. Zusätzlich könnten sich die im Rahmen des Zollwertrechts hinzuzurechnenden Kostenbestandteile (hier insbesondere die Frachtkosten) aufgrund möglicherweise größerer Entfernungen verändern und zu mehr Abgaben führen.
Beides läuft am Ende des Tages auf höhere Zollabgaben hinaus, sodass in letzter Konsequenz daraus eine höhere Bewertungsgrundlage resultiert, als Sie es in der Vergangenheit gewohnt waren.
Im ersten Moment richtet sich dabei der Blick auf die Zollabgaben, da diese im Gegensatz zur Einfuhrumsatzsteuer nicht vorsteuerabzugsfähig sind. Jedoch übersieht man bei dieser Betrachtungsweise häufig, dass bei der Verzollung zumeist auf die Aufschubkonten des Spediteurs zurückgegriffen wird. Dieser bezieht bei der Gebührenerhebung für die Nutzung seines Aufschubkontos auch die Abgabenlast der Einfuhrumsatzsteuer ein.
Die Abfrage von Präferenzen bei Ihren Lieferanten könnte wieder in den Fokus rücken
Nachdem sich die Sorgfaltspflicht des Lieferkettengesetzes grundsätzlich darauf bezieht, die menschenrechtswürdige Produktion in den Fokus zu rücken, ist die vermutliche Zielrichtung Asien. Von dort berichten Investigativjournalisten immer wieder über menschenrechtsunwürdige Verhältnisse im Rahmen der Produktion. Deshalb ist es nicht unwahrscheinlich, dass Sie sich neue Lieferanten suchen müssen, die nicht in Asien produzieren.
Folglich können Sie sich zusammen mit dem Einkauf auf die Suche machen und einen Lieferanten auswählen, der ggf. seine Produktionsstätte in einem der Abkommensländer der Europäischen Union hat oder sogar in der EU selbst produziert.
Mit diesem Ansatz können Sie ggf. sicherstellen, dass Sie mit den zwangsläufig höheren Preisen z. B. in der Schweiz oder aber auch in Kanada durch die Ausnutzung von Präferenzabkommen zumindest zollreduziert einführen können. Im Idealfall sind die Mehrkosten in der Schweiz oder in Kanada mit den Zollabgaben für asiatische Lieferungen identisch, sodass unter dem Strich keine zusätzlichen Kosten entstehen.
Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn Sie rechtzeitig auf den Einkauf zugehen und ihm klarmachen, mit welchen Drittlandstaaten die EU Präferenzabkommen abgeschlossen hat. Vergessen Sie in diesem Zusammenhang auch nicht, dass das Lieferkettengesetz erst im Jahr 2023 seine Wirkung entfaltet und bis dahin ggf. auch noch weitere Abkommen unterzeichnet werden könnten. Die aktuelle Übersicht, mit welchen Ländern man in Verhandlung ist, finden Sie auf den Internetseiten des Bundeswirtschaftsministeriums oder auf der Website der EU.
Wirkt sich das Lieferkettengesetz nun auch auf den AEO aus?
Nach meinem Dafürhalten ist die Antwort definitiv ja. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass Sie im Rahmen des AEO (Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter = Authorized Economic Operator) grundsätzlich auch Ihre komplette Lieferkette beleuchten und sich dabei zwangsläufig auch Ihre Drittlandslieferanten ansehen müssen.
Diese Drittlandslieferungen sind schließlich auch an der durch Sie vorzunehmenden Importzollabwicklung entscheidend beteiligt. Denn nur mit korrekten und präzisen Rechnungen und Versandprozessen können Sie Sicherheit und Exaktheit bei Ihrer Zollanmeldung gewährleisten. Durch einen Wechsel des Lieferanten, der aus Gesichtspunkten eines Verstoßes gegen die Vorgaben des Lieferkettengesetzes angezeigt ist, muss sich der Versand-, Zollabwicklungs- und viel mehr noch der Informationsbereitstellungsprozess mit den neuen Lieferanten erst einmal einschleifen.
Auch darf nicht vergessen werden, dass ein Lieferant ggf. auch für den Import zwingend vorgeschriebene Dokumente wie Konformitätsbescheinigungen, Ursprungszeugnisse oder auch Rezepturen für die korrekte Einreihung erbringen muss.
Nutzen Sie das Lieferkettengesetz, um auch zollrechtliche Belange in die Verträge aufzunehmen
Das Lieferkettengesetz hat jedoch nicht nur negative Auswirkungen auf Sie in der Zollabteilung. Stattdessen können Sie diese Gelegenheit auch ideal nutzen, um im Rahmen der Lieferantendiskussionen Ihre Bedürfnisse für die zollrechtliche Abwicklung einfließen zu lassen. Hierzu gehören nicht nur die rechtzeitige Information über die Zolltarifnummer sowie das Ursprungsland, sondern auch ggf. die rechtzeitige Übermittlung von Langzeitlieferantenerklärungen (sofern der Lieferant in der EU ansässig ist).
Darüber hinaus ist auch die Zurverfügungstellung von Präferenznachweisen zu beachten, sofern die Ware aus einem präferenzbegünstigten Drittland eingeführt werden soll.
Wer hat nun letztlich den Hut auf? Nach meiner Überzeugung der Einkauf
Auch wenn das BAFA die überwachende Behörde sein wird und Sie damit schon als Ansprechpartner so gut wie ausgemacht gelten, können Sie doch keineswegs entscheidend die Auswirkungen des Lieferkettengesetzes auf Ihr Unternehmen beeinflussen.
Deshalb sehe ich die Verantwortung für die Einhaltung des Lieferkettengesetzes auch nicht bei den Zollabteilungen. Das Sprachrohr zum Lieferanten ist per se der Einkauf. Darüber hinaus bewertet der Einkauf die Lieferanten anhand verschiedenster Qualitätsmerkmale. In Zukunft werden diese Qualitätsmerkmale letztlich um die Gesichtspunkte des Lieferkettengesetzes ergänzt. Deshalb lautet mein Tipp ganz klar, dass, auch wenn Sie aktiv mitwirken sollten, Sie nicht die Verantwortung übernehmen müssen. Für die Einführung und Implementierung der Prozesse sind Sie nicht zuständig. Das ist Aufgabe des Einkaufs.
Der Autor
Holger Schmidbaur
verhilft global agierenden Unternehmen mit Schulungen und Beratung zu kostenbewussten und digitalen Prozessgestaltungen rund um die Themen des Zoll- und Außenwirtschaftsrechts.