EXPORTABWICKLUNG UND – ORGANISATION
Der betriebliche Zollbeauftragte
Wofür ist er verantwortlich, wofür haftbar?
Text: Dipl.-Kfm. Stefan Schuchardt | Foto (Header): © WavebreakMediaMicro – stock.adobe.com
Besonders im Rahmen der Erteilung und Neubewertung von zollrechtlichen Bewilligungen oder Zertifizierungsverfahren wie AEO, zugelassenem Ausführer oder auch Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung benennen viele Firmen einen sog. „betrieblichen Zollbeauftragten“. Nach der Ernennung mit dem wohlklingenden Titel bleiben jedoch Aufgaben- und Verantwortungsbereiche häufig nebulös, und das Thema Haftung wird entweder ausgeblendet oder dramatisiert mit dem Spruch: „Ich stehe immer mit einem Bein im Knast.“ Der nachfolgende Artikel soll dazu beitragen, den Nebel zu lichten und mehr Klarheit zu Verantwortung und Haftung des betrieblichen Zollbeauftragten zu schaffen.
Auszug aus:
Zoll.Export
Ausgabe Dezember 2018
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INHALTE DES BEITRAGS
Definition des betrieblichen Zollbeauftragten
Stellung und Verantwortung
Haftung
Fazit
Für den betrieblichen Zollbeauftragten werden diverse Stellenbezeichnungen verwendet. Vom „Zollverantwortlichen“ oder „Zollkoordinator“, „Gesamtverantwortlichen Zoll“, „Ausfuhrkoordinator“, „Ausfuhrbeauftragter“ oder auch „Zollermächtigter“ ist alles dabei.
Definition des betrieblichen Zollbeauftragten
Viele neu als betriebliche Zollbeauftragte ernannten Mitarbeiter fragen nach den rechtlichen Grundlagen der Stelle. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass sämtliche oben stehenden Stellenbezeichnungen von den jeweiligen Unternehmen frei gewählt sind und weder von der Zollverwaltung vorgegeben werden noch in den einschlägigen Gesetzen (Unionszollkodex, UZK-DA, UZK-IA, AWG, AWV) erwähnt werden.
Mangels konkreter gesetzlicher Definition ist es also sinnvoll, die Stellung und Weisungsbefugnis des betrieblichen Zollbeauftragten sowie dessen Aufgabenbereiche zunächst im Innenverhältnis in einer Stellenbeschreibung festzulegen.
Abhängig von der Art des Unternehmens, dem Lieferprogramm und den Exportregionen sowie seiner innerbetrieblichen Organisation können die Verpflichtungen des betrieblichen Zollbeauftragten vollkommen unterschiedlich ausfallen. In manchen Firmen wird das Tätigkeitsspektrum von der reinen Zolltätigkeit auch auf innerbetriebliche Exportkontrolle oder auf steuerliche Tätigkeiten ausgeweitet.
Stellung und Verantwortung
Der betriebliche Zollbeauftragte sollte über fundierte Zollkenntnisse verfügen und so als kompetenter Ansprechpartner für die Zollverwaltung fungieren. In den meisten mittelständischen Unternehmen wird der Zollbeauftragte diese Aufgabe eher „nebenbei“ erledigen, während er noch anderen Tätigkeiten im Unternehmen nachgeht.
Die meisten Zollbeauftragten finden sich in den Abteilungen Versand, Logistik oder in der kaufmännischen Auftragsbearbeitung, seltener auch im Vertrieb, im Einkauf oder in der Buchhaltung.
Es ist empfehlenswert, die Funktion des betrieblichen Zollbeauftragten als Stabstelle an die Geschäftsführung oder Bereichsleitung anzuhängen. Der betriebliche Zollbeauftragte sollte regelmäßig über zollrelevante Themen an die Führungsebene des Unternehmens berichten.
Die Verantwortungsbereiche dürften sich je nach Art des Unternehmens fallweise unterscheiden. Denkbar sind insbesondere die Bereiche Ausfuhrverfahren, Einfuhrverfahren, präferenzielle Warenverkehre und Exportkontrolle. Eine detaillierte Auflistung möglicher Tätigkeits- und Verantwortungsbereiche ist in der Checkliste im hinteren Heftabschnitt dieser Ausgabe zusammengefasst.
Empfehlung: Der Aufgaben- und Verantwortungsbereich des betrieblichen Zollbeauftragten sollte in einer Stellenbeschreibung möglichst genau beschrieben und regelmäßig an tatsächliche Arbeitsweisen angepasst werden.
Grundsätzlich muss der Zollbeauftragte über hinreichende und aktuelle Kenntnisse auf seinem Tätigkeitsgebiet verfügen.
Empfehlung: Der betriebliche Zollbeauftragte muss sich auf seinem Tätigkeitsgebiet weiterbilden. Als Informationsquellen dienen ihm neben der Fachliteratur auch die Nutzung von Newslettern, Informationsseiten im Internet und der Besuch fachbezogener Seminare.
Wird der Zollbeauftragte durch Erweiterung seines Aufgabenbereichs um die Einhaltung der betrieblichen Exportkontrolle zusätzlich zum „Exportkontrollbeauftragten“ benannt, so sollte dieser – beispielsweise in Abstimmung mit der Geschäftsführung – über fachbezogene, abteilungsübergreifende „Stopp- und Weisungsbefugnisse“ erhalten.
Der Exportkontrollbeauftragte ist dabei sinnvollerweise dem Ausfuhrverantwortlichen (Geschäftsführer, Vorstand) unterstellt und berichtet direkt an diesen. Dabei besteht grundsätzlich eine Berichtspflicht, er darf also keine Vorgänge „unter den Teppich kehren“, sondern MUSS entsprechend berichten.
Haftung
Die Haftung des Zollbeauftragten ist auf seinen Tätigkeitsbereich abzustellen. Da das deutsche Recht kein Unternehmensstrafrecht kennt, können nur einzelne, natürliche Personen Straftaten begehen. Für den betrieblichen Zollbeauftragten besteht somit ein eventuelles Haftungsrisiko bei Pflichtverletzungen, Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten.
Je nach Art und Schwere des Verstoßes wird die Haftung unterschiedlich ausfallen. Hierarchisch betrachtet, ist davon auszugehen, dass Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht üblicherweise strenger geahndet werden als zollrelevante Verstöße
Vorsätzliche Verstöße im Außenwirtschaftsrecht stellen i. d. R. eine Straftat dar. Für das Vorliegen von Vorsatz ist es bereits ausreichend, wenn der Täter den Verstoß gegen die betreffende Vorschrift für möglich hält und ihn billigend in Kauf nimmt. Fahrlässige Verstöße werden überwiegend als Ordnungswidrigkeit geahndet.
Eine Fahrlässigkeit liegt immer dann vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird oder naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden. Ordnungswidrigkeiten werden grundsätzlich mit einer Geldbuße geahndet.
Verstöße sind in Form von Arbeits- oder Systemfehlern denkbar. Ein Arbeitsfehler liegt beispielsweise dann vor, wenn es um einen Einzelfall geht und kein Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit angenommen wird. Voraussetzung ist hier, dass grundsätzlich ein strukturierter Zollprozess besteht und dieser lediglich in Einzelfällen nicht eingehalten wurde.
Die Haftung für Arbeitsfehler eines Zollsachbearbeiters liegt im Normalfall beim Unternehmen. Entscheidend für die Beurteilung ist, dass der Mitarbeiter alle Schritte unternommen hat, um die zollrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, die vernünftigerweise von ihm erwartet werden konnten.
Bei Systemfehlern hingegen bestehen entweder keine oder nur rudimentär definierte Zollprozesse oder diese funktionieren nicht. Derartige Verstöße werden strenger geahndet, jedoch ist auch hier zu berücksichtigen, ob es sich um einen einmaligen Verstoß handelt oder ob sich der Verstoß durch eine Vielzahl von Zollvorgängen zieht.
Empfehlung: Der betriebliche Zollbeauftragte sollte die wesentlichen Zollprozesse dokumentieren und regelmäßig die Einhaltung überwachen. Hier bietet es sich z. B. an, diese Prozessbeschreibungen als sog. „mitgeltende Unterlagen“ im Rahmen der ISO 9001 aufzunehmen und ggf. gemeinsam mit dem Qualitätsmanagementbeauftragten regelmäßig interne Audits zur Wirksamkeit der Prozesse durchzuführen.
Bei Organen von Unternehmen (Geschäftsführung, Vorstand) besteht neben der Personalauswahl- und der Weiterbildungspflicht eine Verpflichtung zur Organisation und Überwachung der zollrechtlichen Verpflichtungen.
Haftung im Zollrecht
Im Bereich des Zollrechts richtet sich die Haftung insbesondere nach Art. 79 (3) UZK:
„(3) In den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben a und b ist Zollschuldner,
- a) wer die betreffenden Verpflichtungen zu erfüllen hatte,
- b) wer wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass eine zollrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt war, und für Rechnung der Person handelte, die diese Verpflichtung zu erfüllen hatte, oder an der Handlung beteiligt war, die zur Nichterfüllung der Verpflichtung führte,
- c) wer die betreffenden Waren erworben oder in Besitz genommen hat und zum Zeitpunkt des Erwerbs oder der Inbesitznahme der Waren wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass eine zollrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt war.“
Die Haftung nach Art. 79 (3) UZK tritt jedoch nur ein, wenn der Verpflichtete „wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass eine zollrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt war“.
Somit wäre eine Haftung als Zollschuldner für folgende Prozessbeteiligte denkbar:
- für den Anmelder des betreffenden Zollverfahrens (z. B. Einfuhr, T1, Veredelungsverfahren, Zolllager),
- für den Vertreter des Anmelders (z. B. Spediteur oder Zollagent)
- für jede an dem Pflichtverstoß beteiligte Person (z. B. betrieblicher Zollbeauftragter oder Mitarbeiter in der Zollabteilung)
Haftung im Außenwirtschaftsrecht
Auch im Bereich des Außenwirtschaftsrechts ist eine persönliche Haftung möglich, beispielsweise bei ungenehmigten Ausfuhren, bei fehlerhaften oder unterbliebenen Ausfuhranmeldungen. Dies würde beispielsweise bei falschen Codierungen („Y901“ bei der Ausfuhr genehmigungsbedürftiger Güter) zutreffen.
Die Haftung bei unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) liegt in erster Linie beim Ausfuhrverantwortlichen (Mitglied der Geschäftsführung). Laut Verpflichtungserklärung gegenüber dem BAFA kann sich der Ausfuhrverantwortliche dieser Verpflichtung „nicht mit dem Hinweis auf die Person des Beauftragten einer Verantwortung entziehen“. Darüber hinaus ist eine Haftung für Mitarbeiter denkbar, die kausal am betreffenden Vorgang mitgewirkt haben.
Haftung im Steuer- und Präferenzrecht
Zusätzlich zur beschriebenen zoll- und außenwirtschaftsrechtlichen Haftung ist auch eine persönliche steuerrechtliche Haftung nach § 379 AO im Rahmen von Zollprozessen möglich. Haftungsrisiken bestehen z. B. für das Inverkehrbringen von unrichtigen Belegen (Ordnungswidrigkeit). Hierzu zählt z. B. die Ausstellung von falschen Lieferantenerklärungen, Ursprungserklärungen auf Handelsrechnungen oder WVB EUR.1. In diesem Bereich sind (maximale) Bußgelder bis zu 5.000 Euro pro Beleg möglich.
Haftung im Arbeitsrecht
Mitarbeiter, die beispielsweise zoll-, steuer- und außenwirtschaftsrechtliche Vorschriften missachten, haften dem Unternehmen nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs und müssen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen. Zusätzlich besteht die Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis.
Fazit
Aus den beschriebenen Ausführungen ist erkennbar, dass grundsätzlich ein Haftungsrisiko für den betrieblichen Zollbeauftragten besteht.
Problematisch ist insbesondere, dass der betriebliche Zollbeauftragte persönlich keinen direkten wirtschaftlichen Nutzen aus einer möglichen Pflichtverletzung hat und sich dennoch in einer persönlichen Haftungssituation befindet.
Neben den betroffenen Mitarbeitern haften auch Vorgesetzte, falls diese dem handelnden Mitarbeiter entsprechende Anweisungen gegeben haben. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Vorgesetzte bei dem tatsächlichen Verstoß persönlich anwesend war.
Empfehlung: Es sollte mit dem betrieblichen Zollbeauftragten eine sog. „Haftungsfreistellungsvereinbarung“ geschlossen werden, nach der für diesen eine persönliche Haftung durch das Zollrecht – auch bei fahrlässigem Handeln – ausgeschlossen wird. Denkbar wäre auch, den Zollbeauftragten in den Wirkungsbereich einer eventuell bestehenden „D&O-Versicherung“(Directors und Officers Liability) aufzunehmen.
Der Autor
Dipl.-Kfm. Stefan Schuchardt ist Inhaber der auf Export und Zoll spezialisierten Beratungsfirma Contradius. Er verfügt über Exporterfahrung in über 30 Ländern und langjährige Führungspraxis im internationalen Investitionsgütergeschäft. Seine praktische und beratende Tätigkeit wird durch bundesweite Exportseminare in namhaften Unternehmen sowie bei IHKn und in Verbänden abgerundet.