EXPORT- UND ZOLLPRAXIS KOMPAKT
Mogel(ver-)packung
Transportschäden sind oft hausgemacht
Text: Christian Schmid | Foto (Header): © Björn Wylezich – stock.adobe.com
Seit Jahren wird das Thema Ladungssicherung breitgetreten. Seminare hier, Ausbildung dort. Wer hat noch nichts von dieser Thematik gehört? Es gibt jedoch Themen, die noch viel unliebsamer sind, und zwar die Ladeeinheitensicherung und die Verpackung. Gemäß den Statistiken des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) lagen die Transportschäden in den vergangenen Jahren im Schnitt bei ca. 1,2 und 1,3 Mrd. Euro. Wie Sie sicherstellen können, dass Ihre Waren stets sicher und qualitätserhaltend verpackt sind, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Auszug aus:
Zoll.Export
Ausgabe Februar 2023
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Unternehmen müssen sparen, egal, was es kostet, und Führungskräfte konzentrieren sich eher auf andere Dinge, als dem sicheren Transport und der Verpackung von Waren. Stellen wir uns Folgendes vor:
Sie bestellen etwas online. Eine neue Uhr oder ein anderes Produkt, das Sie unbedingt haben wollen. Wenige Stunden nach der Bestellung erhalten Sie eine Mail oder SMS mit der Tracking-Nummer, um nachzuverfolgen, wo sich ihre Bestellung befindet. Sie wissen, am nächsten Tag zwischen 11:15 Uhr und 14:00 Uhr sollte es bei Ihnen ankommen. Zum Glück sitzen Sie im Homeoffice und müssen nicht mit dem Chef diskutieren, dass Sie wegen einer Online-Bestellung überstundenfrei nehmen oder sogar einen Urlaubstag opfern müssen. Es ist 13:45 Uhr am Auslieferungstag. Am Fenster wartend, steigt
Ihre Aufregung. Jeden Moment müsste der Paketbote kommen. In diesem Moment sehen Sie, wie ein gelber Transporter in Ihre Straße einbiegt und auf Ihr Haus zufährt. Gerade noch bekommen Sie die Schlüssel zu fassen, bevor es im Eiltempo zur Haustür geht. Sie hören, wie die Schiebetür des Transporters ins Schloss fällt. Ihr Puls rast und das Herz springt Ihnen schon fast aus der Brust heraus, als Sie den Fahrer auf sich zukommen sehen. Ihr Blick wandert vom Gesicht des Fahrers auf Ihr Paket und… und jetzt stellen Sie fest, dass das Paket nicht quaderförmig ist, so wie Sie es sich vorstellten, sondern eher von der Seite aussieht wie die Träne, die Ihnen in diesem Moment über die Wange her unterläuft. Die Kartonage macht den Anschein, dass man ihr alles antat, was man einer Kartonage antun kann. Kennen Sie eine solche oder ähnliche Situation?
Die häufigsten Probleme
Wenn es um das richtige Verpacken und die Sicherung des Versandguts auf der Palette geht, dann gleicht das Interesse in vielen Unternehmen dem bekannten Sack Reis, der in China gerade umfällt. Jedoch sind die Auswahl der richtigen Verpackung und die Ladeeinheitensicherung, die Grundlage für eine ordnungsgemäße Ladungssicherung und den qualitätserhaltenden Transport.
Woher kommen diese hohen Schadenszahlen? Natürlich nicht nur von einer schlechten Ladeeinheitensicherung und einer unzureichenden Verpackung. Diese beiden Themen spielen dabei aber eine große Rolle. Es kommt sehr oft vor, dass in den Lägern noch immer mit Handwickelfolie gearbeitet wird. Teure Produkte stehen teilweise wie eine Modern-Art-Skulptur auf einer Palette, und einer der Lagermitarbeiter läuft mit der Folienrolle drei- bis viermal um die Palette und schiebt das Ganze danach in den Verladebereich. Am Palettenfuß, also am Übergang von Palette zur ersten Lage auf der Palette, befinden sich mit ganz viel Glück zwei Lagen an Folie.
Wenn der Mitarbeiter vielleicht nicht in höchstem Maß motiviert ist, bringt er die Folie auch nicht auf Spannung. In einem solchen Fall dient die Folie als Staub- und Witterungsschutz, aber es kann nicht von einer ordnungsgemäßen Ladeeinheitensicherung die Rede sein. Nicht selten stehen die Kosten über den Gedanken der Sicherheit. Die Verpackungsmittel-Verkäufer versuchen, das Produkt zu verkaufen, auf das sie die höchste Provision erhalten.
Sinnvoller wäre doch, wenn die Verkäuferinnen und Verkäufer nicht nur verkaufen, sondern auch richtig beraten würden. Natürlich gibt es auch richtig gute Verkäuferinnen und Verkäufer, nur leider viel zu selten.
In vielen Fällen kommt es nach dem Kauf einer neuen Stretchmaschine dazu, dass beim Aufbau nur der Monteur vor Ort ist. Dieser stellt die Maschine auf, schließt sie an, erklärt kurz dem Lagerleiter die vielen Knöpfe und das Menü und weg ist er. Warum können nicht Kippversuche oder andere Tests gemacht werden, um die Maschine genau auf das zu versendende Gut einzustellen? Warum können so nicht Standards geschaffen werden, um einen Mehrverbrauch aufgrund des ständigen Verstellens an den Maschinen der einzelnen Personen zu verhindern?
Eine weitere Problematik stellen die „Anerkannten und nicht anerkannten Regeln der Technik“ dar. In der Richtlinie 2014/47/EU des Europäischen Parlaments und des Rats für die technische Unterwegskontrolle von Nutzfahrzeugen, kurz TUK betitelt, sollten Kontrollbeamte innerhalb der Eurpoäischen Union (EU) einen weitestgehend einheitlichen Standard verfolgen. Dazu befindet sich in der Anlage III dieser Richtlinie eine Übersicht über „Normen“, die das Kontrollorgan nutzen kann.
Dazu zählt die EUMOS 40509 „Transportverpackung“. Auch wenn sie das erste richtige Regelwerk darstellt, das sich mit der Prüfung von Transportverpackungen auseinandersetzte, wurde sie in den letzten Jahren durch diverse deutsche Fachgremien immer wieder als unzulänglich deklariert. Vom Europäischen Komitee für Normung, kurz CEN, kam keine Veröffentlichung. Daher hat sich nun das Deutsche Institut für Normung oder besser gesagt der DIN-Normenausschuss Verpackungswesen (NAVp) diesem Thema gewidmet und im September 2022 die DIN 55415:22-09 veröffentlicht.
Wird eine Normung nun alles verändern und die Transportschäden mindern? Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erstmal nicht. Auch wenn manche Vertreter von Prüfinstituten der Meinung sind, die Vorgaben aus der deutschen Norm als Grundvoraussetzung für die beförderungssichere Ladeeinheit in den Zertifikaten der Fahrzeuge nach DIN-EN 12642 Code XL zu fordern. Die Fahrzeuge, die einem Code XL entsprechen, verkaufen Trailer-Hersteller nicht nur auf dem deutschen, sondern auf dem europäischen Markt. Es ist anzuzweifeln, dass ein Unternehmen, in Frankreich, Polen, Italien, etc. die DIN-Norm berücksichtigt.
Egal, ob Sie aktuell mit Transportschäden zu kämpfen haben oder nicht, sollten Sie sich mit der richtigen Verpackung und der Ladeeinheitensicherung auseinandersetzen. Beschäftigen wir uns nun mit einer kleinen Auswahl an Produkten bzw. Verfahren, die einen sicheren Transport unterstützen können.
Die Faktoren zur Verbesserung
Schon die Auswahl einer Wellpappe kann eine gewisse Herausforderung sein. Hier kommt es nicht nur auf die Anzahl der Wellen an. Sie können die Qualität Ihrer Wellpappe prüfen, indem Sie mit einem Fingernagel in die Kartonage drücken. Durchbricht der Fingernagel sofort die Außendecke, so handelt es sich um eine Kartonage minderer Qualität bzw. mit einem sehr hohen Wert an recycelten Fasern.
Tun Sie sich jedoch schwer, die Außendecke zu durchstoßen, so handelt es sich um eine qualitativ bessere Kartonage. Sie können dies auch erkennen, wenn Sie mit Umreifungsband arbeiten. Reißt die Kartonage sofort neben dem Umreifungsband ein, sind die Fasern kurz. Biegt sich die Kartonage erst, bevor sie reißt, sind die Fasern lang und bestätigen so einebessere Kartonagenqualität. Durch eine
bessere Wellpappe kann ggf. auf das Unterlegen von Kantenschonern verzichtet werden. Diese kosten auch Geld, und von dem Mehraufwand der Mitarbeiter wollen wir nicht sprechen.
Umreifungsbänder
Umreifungsbänder aus Polypropylen, kurz PP, sind für die Ladeeinheitensicherung und besonders bei schweren Gütern ungeeignet. Der Grund für diese Aussage ist die Spannungsrelaxation, also die zeitabhängige Abnahme der eingebrachten Bandspannung. Laut der VDI 3968 Blatt 3 „Umreifen“ verliert das PP-Band innerhalb von 24 Stunden 25 % seiner Spannung. Nach sechs Tagen liegt die Spannung nur noch bei 30 %. Besser als das PP-Band ist das, meist grüne, Polyesterband (PET). Dieses hat nur einen Spannungsverlust von ca. 8 % innerhalb der ersten 48 Stunden. Danach bleibt die Spannung weitestgehend gleich. Wenn Sie diese Bänder mit Handschweißgeräten anbringen, achten Sie bitte auf die richtige Einstellung der Zugspannung. Nicht selten kommt es vor, dass die Anwender mehrmals auf den Spannknopf drücken, um die ideale Spannung zu haben. Dieses impulsmäßige Spannen bewirkt einen höheren Verschleiß am Spannmechanismus, und das Gerät muss öfter zur Wartung.
Es ist auch darauf zu achten, dass die Schweißnaht passt. Bei einer perfekten Verschweißung beträgt die Systemstabilität 75 % der Bandstabilität. Ist die Schweißzeit zu lange eingestellt, entstehen an den Seiten Würste. Sind diese größer als die, die auf dem Bild zu sehen sind, mindert dies stark die Systemstabilität. In dieser Situation ist einfach die Schweißzeit zu reduzieren.
Ein weiterer Aspekt, der für das PET-Band spricht, ist das Thema Nachhaltigkeit. Dieses Band besteht aus recyceltem Material, das vorher vielleicht eine PET-Flasche war, aus der Sie Ihr Wasser getrunken haben. Wohingegen PP-Band kein recyceltes Material ist und für dessen Herstellung Öl benötigt wird.
Der Nutzen einer Stretchmaschine
Die Benutzung einer Stretchmaschine ist eigentlich einfach und unkompliziert. Nur sollten im Vorfeld Versuche gemacht werden, um die ideale Anzahl an Fuß- und Kopfwicklungen sowie den Überlappungsgrad zu ermitteln. Problematisch sind bei Stretchfolien jedoch Über- und Unterstände. In beiden Fällen fehlt meist die stabile Verbildung zur Palette. Beim Unterstand kommt noch hinzu, dass die Folie an den Ecken der Palette reißt.
Bei der Schrumpffolie wird meist der Fehler gemacht, dass die Folie angebracht wird, während die Palette auf dem Boden steht. Jedoch ist es für die Funktionalität entscheidend, dass sich die Folie unterhalb der Palettenkufen befindet.
Es ist immer empfehlenswert, einen Kipptest durchzuführen. Dadurch können Sie schnell sehen, ob sofortiger Handlungsbedarf besteht. Mithilfe der Wasserwaagenfunktion Ihres Smartphones können Sie den Winkel ermitteln. Der Bediener des Gabelstaplers oder der Ameise soll die Palette behutsam kippen. Speziell bei Kartonagen, sollte bei 15 bei 20° ein kurzer Stopp eingelegt werden.
In diesem Bereich rutschen Kartonagen schnell mal weg. Schafft Ihre Ladeeinheit 27°, ist die erste Hürde erreicht. Dieser Winkel entspricht etwa einer Beschleunigung von 0,5 g. Diesen Wert müssen wir, gemäß den Normen und Richtlinien, bei einem Straßentransport für die Kräfte zu den Seiten, also den Fliehkräften, und nach hinten annehmen.
Bleibt die Ladeeinheit bis 39° stabil, dann ist auch die Vollbremsung eines Lkw abgesichert. Natürlich handelt es sich hier um einen rein statischen Test, und es gibt auch viele Zweifler an diesen Winkelangaben. Jedoch ist eines gewiss, wenn sich die Ladeeinheit bei weniger als 39° auflöst, dann ist dies nicht ausreichend und es muss optimiert werden, bis es klappt. Sollte der Wert erreicht werden und man möchte auf Nummer sicher gehen, dann ergibt es Sinn, die Hilfe eines Versuchslabors zu suchen.
Kennzeichnung von Ladung
Ein letzter Punkt, der noch angesprochen werden muss, ist die richtige Kennzeichnung. Vielen wird jetzt auf einen Schlag die Gefahrgutbezettelung einfallen. Das ist auch nicht schlecht, wenn Sie gerade Bilder im Kopf haben, z. B. von einem roten Aufkleber mit einer Flamme oder einen weißen Aufkleber mit einem abgestorbenen Baum und einem toten Fisch. Durch diese Symbole können alle beteiligten Personen in der Transportkette sofort erkennen, dass es sich um etwas Gefährliches handelt.
Leider wird diese leicht verständliche Kennzeichnung nicht in allen Bereichen verfolgt. Auf Umverpackungen von Gütern, die oft mehrere tausend Euro wert sind, sollen die Lagermitarbeiter solche Aufkleber befestigen, wie Sie ihn hier im Bild oben rechts sehen (Nicht stapeln! Don’t stack! Ne pasempiler!). Wenn Sie diesen Aufkleber sehen, dann wissen Sie auch ganz genau, was er aussagen möchte. Aber können wir garantieren, dass jede Person in der Transportkette den Hinweis versteht? Natürlich nicht. Daher ist es besser auch hier mit Symbolen zu arbeiten.
Die Bedeutung von Symbolen bei der Ladungssicherung
Selbst die großen deutschen Autohersteller wie BMW arbeiten an ihren Fließbändern mit Symbolen. Leuchtet auf einem Display ein Elefant auf, dann montiert der Mitarbeiter das Bauteil an die Karosse, das mit dem Elefanten gekennzeichnet wurde. Um Informationen allen beteiligten Personen in der Transportkette leicht verständlich zu machen, ist es auch bei unserer Ladeeinheit sinnvoll, eine Kennzeichnung mit Symbolen anzubringen.
Die Kennzeichnung „nicht stapeln“ auf dem Bild unten links versteht jeder, der es verstehen möchte. Weitere Symbole können der DIN 55402 sowie der ISO R 780 entnommen werden.
Fazit
Die Auswahl an Verpackungs- und Ladeeinheitensicherungsmittel ist groß. Ihre Aufgabe ist es nun, die richtigen Mittel für Ihre Produkte zu finden. Achten Sie dabei auch stets auf die richtigen Einstellungen Ihrer Maschinen.
Der Autor
Christian Schmid ist Berater und Ausbilder für Ladungssicherung in der Logistik sowie Buchautor. Als Moderator im Bereich Ladungssicherung ist er außerdem auf Messen tätig und arbeitet als Mitglied im Prüfungsausschuss für die Industriemeister Kraftverkehr bei der IHK Bayreuth.