EXPORT- UND LOGISTIK
Papierlos in die Zukunft!
Wunschtraum oder Realität? Nimmt der „Papierkrieg“ im Führerhaus eines Lkw-Fahrers in Zukunft ab?
Text: Wolfgang Rieß | Foto (Header): © OleCNX – stock.adobe.com
Immer noch beginnt die Zettelwirtschaft, bevor die Ware sich auf dem Weg zum Empfänger befindet. Seit 2019 haben fast 20 Länder den elektronischen Frachtbrief (eCMR) eingeführt, ab August 2024 soll dieser in ganz Europa eingeführt werden. Ab 2029 wird die Verwendung von digitalen Frachtbriefen verbindlich.
Auszug aus:
Zoll.Export
Ausgabe Dezember 2023
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Dem papierlosen Dokumentenmanagement gehört im Straßengüterverkehr die Zukunft. Zu groß sind die Vorteile der digitalen gegenüber der traditionellen Dokumentenverwaltung. Der papierlose Straßengüterverkehr bezieht sich auf die Umstellung von physischen Papierdokumenten hin zu digitalen Lösungen und Prozessen in der Logistik und im Transportwesen. Schon seit den 2010er-Jahren versucht man, diesen Weg zum papierlosen Transport voranzutreiben, denn durch diese Umstellung können viele Schritte im täglichen Arbeitsgeschehen vereinfacht werden. Eines der ersten Länder bei der Einführung des eCMR war Estland, weitere Länder wie die Niederlande, die Schweiz, Lettland und Spanien folgten
eCMR
Im April 2022 wurde der digitale Frachtbrief auch in Deutschland eingeführt. Ein digitaler Frachtbrief, oft auch als „elektronischer Frachtbrief“ oder „eCMR“ (elektronischer Frachtbrief nach dem Übereinkommen über den internationalen Beförderungsvertrag von Gütern auf Straßen) bezeichnet, ist eine elektronische Form des Frachtbriefs. Dieser hat den Vorteil, dass er in digitaler Form erstellt, übertragen und archiviert werden kann, was den Prozess der Frachtverfolgung und -verwaltung erheblich effizienter und umweltfreundlicher macht.
Die komplette Umstellung auf den papierlosen Transport lässt noch auf sich warten, aber speziell während der COVID-Pandemie 2019 konnte man sehen, dass eine digitale Lösung viele Vorteile mit sich bringt.
Was sind die Vorteile eines digitalen Frachtbriefs?
- Die Papiere können schon übermittelt werden, nachdem der Fahrer gerade den Lkw beladen hat und sich auf den Weg zum Empfänger macht, die Quittierung erfolgt digital.
- Auch Sprachbarrieren lassen sich so umgehen. Der digitale Frachtbrief kann in jede Sprache übersetzt werden, bleibt aber in der Form immer gleich, alle Informationen befinden sich an derselben Stelle.
- Papierlose Transporte tragen dazu bei, die Effizienz, Transparenz und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der Logistik- und Transportbranche zu steigern.
- Die Herausforderungen in den Lieferketten lassen sich besser bewältigen und so profitieren Firmen, die die Digitalisierung umgesetzt haben.
Digitale Helfer wie z. B. die Anwendung Transportaufträge im Road Freight Marketplace von TIMOCOM helfen dabei, Ihre gesamten Transportaufträge digital mit Ihren Geschäftspartnern abzuwickeln.
Elektronische Erstellung
Der digitale Frachtbrief wird elektronisch erstellt und kann von den verschiedenen Parteien online bearbeitet und unterzeichnet werden. Das minimiert den Bedarf an physischen Papierdokumenten. Die elektronische Erstellung der Frachtbriefe hat damit ein einheitliches Bild. So kann auch mit ein paar Schritten verhindert werden, dass Informationen beim Ausfüllen der Dokumente vergessen werden. Das Formular kann erst komplett gespeichert werden, wenn alle benötigten Daten vorliegen.
Echtzeit-Informationsfluss
Eine Echtzeitverfolgung der Sendung ist möglich, da der Status online aktualisiert wird. Die Transparenz über die Ankunft und Abfahrt der Lkw-Fahrer wird durch eine digitale Erfassung bestätigt. Die Beteiligten können den Status der Sendung überwachen und alle Transportdokumente sind online einsehbar, inkl. Anmerkungen über Beschädigungen.
Viele Telefonate, um z.B. die Ankunft oder den aktuellen Ort der Ware zu erfragen, fallen weg. Auch ein Palettenschein muss nicht mehr extra mitgeführt werden, da dieser digital ausgefüllt werden kann. So kann auch der Nachweis über einen Palettentausch sofort mitgeteilt werden.
Umweltfreundlichkeit
Die Reduzierung des Papierverbrauchs trägt zur Schonung der Umwelt bei. Schätzungen zufolge werden pro Frachtbrief 4 Euro eingespart. Allein in Deutschland werden geschätzt 150 Mio. Frachtbriefe ausgestellt, dort läge das Einsparpotenzial bei ca. 600 Mio. Euro. So hat z. B. einem Unternehmen aus der Baustoffbranche die Einführung des eCMR und die Ausstattung der Fahrer mit Tablets eine Einsparung von rd. 770.000 Blatt Papier pro Jahr und damit 95.000 Euro an Toner-, Papier-, Scan- und sonstigen Verwaltungskosten gebracht. Und auch die Entsorgung von Papierabfällen kann deutlich reduziert werden.
Warum dauert die Umstellung auf eCMR immer noch an?
Rechtliche Hindernisse
Trotz der vielen positiven Aspekte ist immer noch eine zögerliche Einführung des digitalen Frachtbriefs erkennbar. Dazu trägt auch die nach wie vor ungeklärte Rechtslage bei.
In Deutschland ist im Handelsgesetzbuch (HGB) definiert, welche Informationen ein Frachtführer bei der Ausstellung eines Frachtbriefs anfordern kann. Der Hauptgedanke des Frachtbriefs ist, den Transport von Waren einfach, kontrollierbar und rechtssicher zu machen. Insgesamt muss er in vierfacher Ausführung und an folgenden Stellen vorliegen:
- Absender
- Frachtführer
- Empfänger
- Spediteur
- Zoll oder andere Behörden
Der Haken dabei ist allerdings, dass der analoge Frachtbrief in der Praxis zwar den Transport rechtlich absichert, diese Absicherung aber durch die Menge an benötigten Dokumenten in Papierform enorm erschwert wird.
Zwar findet sich in § 408 Abs. 3 HGB bereits seit 2013 der Hinweis, dass „dem Frachtbrief eine elektronische Aufzeichnung gleichgestellt“ sei – aber auch, dass „Einzelheiten der Ausstellung, des Mitführens und der Vorlage eines elektronischen Frachtbriefs sowie des Verfahrens einer nachträglichen Eintragung in einen elektronischen Frachtbrief“ in einer Rechtsverordnung zu regeln sind und diese Verordnung gibt es bis heute nicht. Das heißt, der deutsche Gesetzgeber träumt von einem digitalen Frachtbrief, verweigert aber die Auskunft darüber, wie dies in der Realität umzusetzen ist.
Macht der Gewohnheit
Außerdem werden die bestehenden Prozesse schon Jahrzehnte lang in Papierform ausgeführt, eine Umstellung auf den eCMR ist für die Mitarbeitenden schwierig und kann auf Widerstand stoßen, denn mit der „Macht der Gewohnheit“ will man diese oftmals nicht ändern.
Hohe Investitionen in Technologie
Die Anschaffung von Hardware wie Tablets oder Smartphones für Fahrer und Mitarbeitende, um die digitale Lösung verwenden zu können, ist kostenintensiv. Diese Kosten stellen eine finanzielle Hürde v. a. für KMU dar. Zudem ist die Technologie anfällig für Ausfälle und Störungen, da sie von einer zuverlässigen IT-Infrastruktur und Stromversorgung abhängig ist.
Und nicht zuletzt ist auch die Sicherheit in diesem Fall ein großes Thema. Sicherheitsrisiken, Datenverlust, Datenschutzverletzungen und Cyberangriffe sind Herausforderungen, die gelöst werden müssen. Bei einem Systemausfall oder Datenverlust können wichtige Informationen verloren gehen. Die Lieferketten müssen evtl. unterbrochen werden, was zu finanziellen Verlusten führen kann. Die Mitarbeitenden müssen geschult werden, Kosten für Schulungsmaterialien, Schulungszeit und -ressourcen entstehen. Darüber hinaus werden auch die Aktualisierung der IT-Infrastruktur, Netzwerke und Datenspeicherung zusätzliche Kosten verursachen.
Ein einfaches PDF zur Umstellung auf den digitalen Frachtbrief ist nicht ausreichend. Die elektronische Bearbeitung des eCMR ist eine Voraussetzung. Er muss für Auftraggeber, Empfänger, Frachtführer und auch für Behörden lesbar sein und die Echtheit ausweisen können. Diese Echtheit der digitalen Signatur (Stempel) erfolgt über spezielle Zertifizierungsanbieter. Es gibt aber bestimmte Dokumente, die in physischer Form aufbewahrt werden müssen, wie z. B. Zollpapiere. Auch das erschwert die vollständige Umstellung.
KI-Lösungen Nichtsdestotrotz sind KI-Lösungen wie z. B. diejenigen von Xpact Logistics nicht mehr aufzuhalten. Diese KI verfügt über ein natürliches Sprachverständnis, erkennt statt stereotyper Textpositionen inhaltliche Zusammenhänge und optimiert die eigene Spracherkennung beständig selbstlernend. Wo andere KI-Tools bis zu 100.000 Dokumente benötigen, um einen entsprechenden Kundenfall zu lernen, genügen Evy Solutions für den gleichen Fall 50 bis 100 Dokumente.
Außerdem zeichnet sich eine solche KI dadurch aus, dass sie schnell dazulernt. Somit verbessern sich die Ergebnisse innerhalb nur weniger Wochen und die Kunden können sehr schnell im vollen Umfang mit der Software arbeiten. So werden u. a. die digitalen Signaturen aller Teilnehmer mittels Blockchain identifiziert. Somit wird dem Datenschutz (DS-GVO) Rechnung getragen und mithilfe von GS1-Standards werden bestehende Applikationen und Prozesse integriert. Dadurch sollen sowohl beim elektronischen Frachtbrief als auch bei anderen Frachtdokumenten Systembrüche und damit verbundene Zeitverluste oder Fehler vermieden werden.
Aktueller Stand der Digitalisierung
Eine Voraussetzung für eine funktionierende Umsetzung ist, dass die Firmen mit derselben Software arbeiten, um die Daten verarbeiten zu können. Dadurch können der Informationsfluss und die Abarbeitung der Dokumente schneller erfolgen und z. B. Rechnungen zeitnah erstellt werden. Man muss nicht mehr warten, bis alle Dokumente vom Fahrer wieder zurückgebracht und eingescannt wurden. „Digital“ ist auch in diesem Punkt wesentlich effektiver. Alle Dokumente werden mit Dokumentenvorlagen erstellt und müssen nicht mühsam eingescannt werden. Somit kann dieser Bereich durch die Digitalisierung vollständig ersetzt werden und auch wechselnde Mitarbeitende können so Transportdokumentationen, die sie zuvor nicht betreut haben, leicht finden und bearbeiten.
Bei der Umstellung auf papierlose Transporte ist zu beobachten, dass die Umsetzung in den Regionen und Branchen unterschiedlich weit vorangeschritten ist. Von verschiedenen Ländern wird daher gefordert, dass es ein festes Datum für die Einführung des eCMR gibt, denn so wird die Umstellung in den Unternehmen vorangetrieben und eine einheitliche Nutzung kann ab diesem Zeitpunkt überall erfolgen. Denn bei einer optionalen Umstellung wird dies so lange hinausgezögert, bis es keinen Ausweg mehr gibt und umgestellt werden muss – so spielen viele Unternehmen bei Investitionen in neue Systeme und Software auf Zeit.
Fazit
Die Digitalisierung in der Transport- und Logistikbranche ist nicht mehr aufzuhalten. Laut einer Bitkom-Umfrage sehen 85 % der mittelständischen Unternehmen in der Einführung digitaler Frachtbriefe eine große Erleichterung, bei größeren Unternehmen ab 100 Beschäftigten sind es sogar 96 %. Allerdings sehen auch 59 % die Einführung als eine große Herausforderung und dass für eine schnelle Einführung das Know-how in der Branche fehlt. Auch sagen über 54 % der Befragten, dass aus ihrer Sicht zur effizienten Nutzung noch Standards fehlen. Sie sehen: Es liegt noch ein Weg vor uns. Bleiben wir optimistisch!
Die Autorinnen
Wolfgang Rieß ist Speditionskaufmann und Betriebswirt mit Schwerpunkt Logistik. Er setzt sowohl in der Industrie als auch bei Dienstleistern internationale Projekte um und ist Inhaber der Rieß Consulting.
Kontakt:
E-Mail: wolfgang.riess@riessconsulting.de
Tel.: 08207 90223