Export- und Zollpraxis kompakt
Präferenzen nutzen mit modernen Freihandelsabkommen
Bürokratie reduzieren und Nutzungsraten erhöhen
Text: Steffen Behm | Foto (Header): © Art_Photo – stock.adobe.com
Deutschland ist mit seiner erfolgreichen Exportwirtschaft wie kaum ein anderes Land auf offene Märkte und freien Handel angewiesen. Daher sind die von der EU verhandelten Handelsabkommen für die deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung. Sie sollen Handels- und Investitionshemmnisse mit den Partnerländern abbauen und so die Nutzung von Präferenzen ermöglichen. Die tatsächliche Nutzung der Abkommen durch Unternehmen bleibt in der Praxis allerdings noch zu häufig hinter den Erwartungen zurück. Das könnte sich durch Bürokratieabbau und mehr Praxisnähe ändern.
Auszug aus:
Zoll.Export
Ausgabe April 2022
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INHALTE DES BEITRAGS
Nutzungsraten von EU-Abkommen sind ausbaufähig
Kalkulationsprogramm bereitstellen
Ursprungsregeln harmonisieren
Gleitender Durchschnittspreis
Buchmäßige Trennung auch für Handelswaren
Präferenzgewährung auch für Wiedereinfuhren
Präferenzerklärungen standardisieren
Freigrenze formloser Präferenznachweise anheben
Fazit
Die Europäische Union (EU) hat im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte mit mehr als 70 Ländern Handelsabkommen geschlossen. Weitere Abkommen befinden sich in der Verhandlungsphase oder bereits im Ratifizierungsprozess. Obwohl die Abkommen inzwischen eine Vielzahl an Themen wie z. B. Dienstleistungen, Investitionen und öffentliche Beschaffung umfassen, liegt allen ein gemeinsamer, ursprünglicher Hauptzweck zugrunde: Handelsabkommen sollen Unternehmen Zollvergünstigungen bei bilateralen bzw. regionalen Handelsgeschäften ermöglichen. Mit dem EU-Japan-Abkommen sollen für EU-Exporteure z. B. Zölle von jährlich 1 Mrd. Euro entfallen. Durch diese Präferenzen können sich Unternehmen also sehr viel Geld sparen.
Dabei dauern die Verhandlungen solcher Abkommen selbst oftmals viele Jahre. Kompromisse zu präferenziellen Ursprungsregeln, Zollabbaustufen oder zulässigen Ursprungsnachweisen müssen gefunden und ausformuliert werden.
Hat die EU ein neues Abkommen geschlossen oder sich mit einem Partnerland auf die Aktualisierung eines bestehenden Abkommens verständigt, scheint die Arbeit getan. Dem ist jedoch nicht so. Der Erfolg eines EU-Handelsabkommens entscheidet sich vielmehr anhand der praktischen Umsetzbarkeit der getroffenen Bestimmungen und der konkreten Nutzung durch die Im- und Exporteure in der EU und in den Partnerländern.
Nutzungsraten für Präferenzen von EU-Abkommen sind ausbaufähig
Die Komplexität von Ursprungsregeln sowie der bürokratische Aufwand bei der Nachweisführung zum Präferenzursprung entscheiden darüber, ob Unternehmen ein Handelsabkommen nutzen, sprich von den darin vereinbarten, präferenziellen Zollsätzen Gebrauch machen. Um dem Importeur eine Nutzung der Präferenzen in der Zollabwicklung zu ermöglichen, bedarf es einer präferenziellen Ursprungserklärung durch den Exporteur. Trotz des insgesamt positiven Einflusses von Handelsabkommen auf die Entwicklung europäischer und deutscher Exporte und Importe, schöpfen viele Unternehmen die Möglichkeiten, die Handelsabkommen bieten, weiterhin nicht vollumfänglich aus.
Laut des jüngsten Berichts der EU-Kommission DG Trade über die Umsetzung von Handelsabkommen nutzten Unternehmen Präferenzen bei der Einfuhr von EU-Waren in die Partnerländer im Jahr 2020 nur zu 66 %. Das bedeutet:
Für fast ein Drittel der Lieferungen europäischer Exportunternehmen werden vor Ort weiterhin die vollen WTO-Zölle gezahlt, obwohl die Waren auf Grundlage von EU-Handelsabkommen Anspruch auf reduzierte Zollsätze hätten. Diese sog. Präferenznutzungsrate (preferential utilisation rate, PUR) lag für Lieferungen aus Deutschland in die Partnerländer mit durchschnittlich 57 % sogar noch unter dem EU-Schnitt. De facto wurden damit auf deutsche Ausfuhren knapp 1,16 Mrd. Euro unnötig Zölle gezahlt.
Das Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA)
Ein Beispiel für eine besonders niedrige Präferenznutzungsrate ist das Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA). Selbst im vierten Jahr nach Inkrafttreten wurden nur für 55 % der EU-Exporte Präferenzen und Zollvergünstigungen bei der Einfuhr nach Kanada genutzt. Für Waren aus Deutschland – immerhin im Wert von mehr als 11 Mrd. Euro – meldeten kanadische Importeure 2020 durchschnittlich sogar nur für 33 % der Produkte reduzierte Zölle an (vgl. Tabelle 1). Bei den beiden exportstärksten Sektoren Maschinen/elektrotechnische Waren (ca. 3,6 Mrd. Euro) und chemische Erzeugnisse (ca. 2,5 Mrd. Euro) lagen die Nutzungsraten bei 52 % bzw. 45 %. Beim drittstärksten Exportsegment, dem Fahrzeug-, Flugzeug-, Schiffs- und Eisenbahnbau (ca. 2 Mrd. Euro), lag die PUR im Jahr 2020 bei gerade einmal 19 %! Für mehr als 81 % zahlten Importeure in Kanada folglich volle WTO-Zölle – insgesamt rund 55 Mio. Euro.
Umgekehrt lagen die Nutzungsraten für zollvergünstigte Einfuhren aus Partnerländern in die EU 2020 mit durchschnittlich 84 % deutlich höher. Deutsche Importeure machten im Schnitt immerhin bei rund 75 % der Einfuhren aus Partnerländern von reduzierten Zollsätzen Gebrauch. Allerdings zeigt auch hier ein näherer Blick in die Zahlen, dass bei einigen Partnerländern und Sektoren noch Luft nach oben ist. Für Einfuhren aus Vietnam lag die PUR bei 60 %. Für Importe aus Japan nutzten nur 54 % der deutschen Einführer die Präferenzen. Importe aus Kanada wurden sogar nur zu 45 % mit Vorzugszöllen in Deutschland eingeführt. Hier lag die PUR beim Import von Maschinen und elektrotechnischen Waren mit einem nicht unerheblichen Volumen von ca. 800 Mio. Euro bei gerade einmal 30 %.
Gründe für niedrige Nutzungsraten
Die Gründe für niedrige Nutzungsraten können sehr unterschiedlich sein. Teilweise sind die WTO-Zölle bereits sehr niedrig oder betragen gar 0 %, sodass die Zollersparnis im Rahmen eines EU-Handelsabkommens keinen oder nur einen geringen Unterschied macht. Einige Unternehmen – besonders diejenigen, die gerade erst am Anfang einer Handelsbeziehung mit neuen Ländern stehen – wissen möglicherweise auch noch nicht, dass es ein Abkommen mit dem jeweiligen Land gibt bzw. kennen sich mit den tieferen Details der Abkommen nicht aus. Wesentliche Stellschraube, Nutzungsraten zu erhöhen, sind und bleiben jedoch die vertraglich festgelegten Bestimmungen der Abkommen selbst.
Aus Sicht des DIHK sollte eine Nutzungsrate von mindestens 85 % für vereinbarte Zollpräferenzen über alle Abkommen hinweg angestrebt werden. Um dies zu erreichen, müssen bürokratische Hürden im Zusammenhang mit der Ermittlung und Anwendung von präferenziellen Ursprungsregeln möglichst einfach sowie Anforderungen zur Nachweisführung praktikabel ausgestaltet sein. Darüber hinaus ist es wichtig, Unternehmen geeignete Hilfsmittel an die Hand zu geben, um sich im Dschungel der verschiedenen Freihandelsabkommen und Präferenzregelungen zurechtzufinden.
Kalkulationsprogramm bereitstellen
Kleine und mittelständische Unternehmen sind mit den gleichen Herausforderungen im internationalen Handel konfrontiert wie große Unternehmen, verfügen aber über deutlich weniger Ressourcen. Sie brauchen zusätzliche Unterstützung, um die Potenziale für Präferenzen, die moderne Abkommen bieten, auszuschöpfen. Mit dem Onlineportal „Warenursprung und Präferenzen“ bietet der deutsche Zoll eine gute Hilfestellung.
Unternehmen können auf dieser Webseite die Warentarifnummer ihres Produktes sowie das betreffende Import- bzw. Exportland eintragen. Sie erhalten dann die jeweilige produktspezifische Be- oder Verarbeitungsregel (die sog. Listenregel) angezeigt, die eingehalten werden muss, damit das aus den verschiedenen Vormaterialien hergestellte Endprodukt zollbegünstigt in die EU eingeführt bzw. in das Partnerland ausgeführt werden darf.
Unter der Rubrik „Gegenüberstellung von Verarbeitungslisten“ erhalten Unternehmen sogar eine Vergleichsliste der für die jeweilige Warentarifnummer geltenden Listenregeln aller EU-Abkommen. Informationen zur Art und zum Wortlaut der zu verwendenden Ursprungsnachweise sowie zu ursprungrelevanten Begleitbestimmungen sind ebenfalls hinterlegt. Auch die EU-Kommission hat 2020 mit der „Access2Markets“-Datenbank und dem integrierten, speziell für Handelsabkommen relevanten „ROSA“ (Rules ofOrigin Self-Assessment) ein verbessertes Instrument für den Umgang mit Handelsabkommen entwickelt. Nach Eingabe der Warentarifnummer und des Ausfuhr- bzw. Einfuhrlandes können Unternehmen mithilfe von Checkbox-Fragen unverbindlich ermitteln, unter welchen Umständen ihr Produkt präferenzbegünstigt gehandelt werden kann.
Sowohl die Website des deutschen Zolls als auch die der EU-Kommission sind wichtige Hilfsmittel und Schritte in die richtige Richtung. Allerdings sind beide Instrumente ausbaufähig und sollten um ein Kalkulationsprogramm für Präferenzen erweitert werden. So könnten Betriebe z. B. für den Fall, dass es sich bei der Listenregel um eine Wert- bzw. Gewichtsregel handelt, die Preise bzw. Gewichte für die verwendeten Vormaterialien ohne Präferenzursprungseigenschaft (VoU) sowie für das Enderzeugnis eingeben.
Das Kalkulationsprogramm würde die Wert-/Gewichtsgrenzen ermitteln und mit den oftmals unterschiedlichen Grenzwerten verschiedener Abkommen abgleichen. Ein solches, einfach gehaltenes Kalkulationsprogramm könnte gerade KMUs ermutigen, Handelsabkommen stärker zu nutzen.
Ursprungsregeln harmonisieren
Die Ursprungsregeln in der ersten Generation der EU-Handelsabkommen waren weitgehend harmonisiert. Leider wird mit neuen Abkommen hiervon zunehmend abgewichen.
Beispiel zuckerhaltige Schokoladenwaren (Tarifnummer 1806)
Im Handel mit der Schweiz darf der in der Schokolade verarbeitete Zucker – gemessen am Wert – zu maximal 30 % drittländischen Ursprung haben. Mit Kanada sind es 40 %. Demgegenüber gelten mit Vietnam statt Wertgrenzen ausschließlich Gewichtsgrenzen. Für Japan gelten ebenfalls nur Gewichtsgrenzen – hier sind jedoch nicht nur für Zucker (30 %) sondern auch für weitere Zutaten wie Milch (10 %) und Getreidezubereitungen (10 %) konkrete Grenzwerte für die Verwendung drittländischer Vormaterialien festgelegt. Unternehmen leiden unter der unüberschaubar gewordenen Vielfalt an Ursprungsregeln. Um die Nutzungsrate von Präferenzzöllen insgesamt zu erhöhen, ist eine Harmonisierung der Ursprungsregeln über alle Handelsabkommen hinweg dringend nötig.
Gleitender Durchschnittspreis
Für die Ermittlung des präferenziellen Ursprungs entlang von Wertzuwachsregeln gilt bei den meisten Abkommen die Regel, dass für das eingesetzte Material der exakte Preis zum Zeitpunkt des Einkaufs verwendet werden muss. Bei mehreren Lieferungen des gleichen Vormaterials können sich Einkaufspreise über die Zeit ändern. Die jüngsten Preisanstiege für diverse Rohstoffe und Halberzeugnisse aufgrund von Materialknappheit und Lieferengpässen sprechen Bände. Es ist nur mit erheblichem Aufwand möglich, diesen zeitpunktgenauen Einkaufspreis der für die Fertigung des Enderzeugnisses verwendeten Vormaterialien zu ermitteln.
Daher bestimmen Unternehmen den präferenziellen Ursprung oftmals auf Basis des schlechtesten Falls (Worst Case): Sie nutzen für den gesamten Bestand an Nicht-Ursprungsware den höchsten, in einem bestimmten Zeitraum für eine Lieferung gezahlten Preis. Das wiederum reduziert die Möglichkeit deutlich, die Präferenzen zu erreichen. Der gleitende Durchschnittspreis (meist von Warenwirtschaftssystemen automatisch berechnet) sollte daher als Alternative zur heutigen zeitpunktspezifischen Methodik für die Ermittlung des präferenziellen Ursprungs angewendet werden können.
Die EU hat begonnen, diese vom DIHK vorgeschlagene Vereinfachung in ihre Abkommen aufzunehmen, bspw. in das Abkommen mit dem Vereinigten Königreich und in die neuen Übergangsursprungsregeln des Pan-Euro-Med-Abkommens.
Buchmäßige Trennung auch für Handelswaren
Die physisch getrennte Lagerung von untereinander austauschbaren Vormaterialien mit Ursprungseigenschaft (VmU) und ohne Ursprungseigenschaft (VoU) ist in den meisten EU-Abkommen standardmäßig vorgeschrieben. Im Falle einer gemeinsamen Lagerung oder Mischung geht der Präferenzstatus für die Vormaterialien und für das Enderzeugnis verloren. In der Praxis ist die getrennte Lagerhaltung häufig mit erheblichen Kosten verbunden.
Beispiel aus der Chemiebranche
Ein Handelsunternehmen für chemische Flüssigkeiten kauft Ware sowohl aus der EU (mit Präferenznachweis) als auch aus Drittländern (ohne Präferenznachweis). Aus logistischen sowie Kostengründen können die identischen Flüssigkeiten nicht in separaten Tanks gelagert werden. Der gesamte Inhalt des Tanks verliert somit den Präferenzursprung.
Dabei könnte das Unternehmen durch seine buchhalterischen Aufzeichnungen jederzeit den Lagerbestand an präferenzbegünstigter Ware nachweisen und für gewisse Kontingente Lieferantenerklärungen (LEen) bzw. Präferenzerklärungen zum Ursprung ausstellen. Das Unternehmen hätte in der Folge bessere Absatzchancen, da manche Kunden ausschließlich Ware kaufen, die Präferenzen folgt bzw. für diese Ware teilweise höhere Preise zahlen.
Die Alternative, eine gemeinsame Lagerhaltung bei gleichzeitiger buchmäßiger Trennung, bildet weiterhin die Ausnahme und ist nahezu in allen Abkommen auf Vormaterialien begrenzt. Im jüngsten EU-Abkommen mit dem Vereinigten Königreich zeichnen sich jedoch positive Entwicklungen ab. So wird die buchmäßige Trennung nicht nur für sämtliche in einem Herstellungsprozess verarbeitete, austauschbare Vormaterialien ermöglicht.
Auch eine begrenzte Zahl an Fertigerzeugnissen und Handelswaren (z. B. Getreide, Fette, Mineralöle, Chemikalien, Farbstoffe, Kunststoffe) können gemeinsam gelagert bzw. gemischt und später, entsprechend den jeweiligen Anteilen mit Präferenzstatus und ohne Präferenzstatus, zollbegünstigt exportiert bzw. importiert werden. Die buchmäßige Trennung sollte allerdings über diese wenigen Produktgruppen hinaus auf weitere, untereinander austauschbare und nach gleichen technischen Parametern hergestellte Erzeugnisse und Handelswaren ausgedehnt werden.
Gewährung von Präferenzen auch für Wiedereinfuhren
Wenn EU-Ursprungswaren nach der Ausfuhr in ein Partnerland wieder in die EU zurückkehren, fällt bei der Wiedereinfuhr der Regelzollsatz an, selbst wenn für diese Waren der ursprüngliche Präferenznachweis vorliegt. Die EU begründet diese Maßnahme damit, dass Präferenzzölle bei der Einfuhr nur für Ursprungswaren aus den Partnerländern selbst gelten, aber nicht für eigene Ursprungswaren aus der EU.
Die Zahlung von Zöllen bei der Wiedereinfuhr lässt sich nur im Rahmen eng gefasster Bestimmungen des Zollrechts vermeiden. Zum Beispiel, wenn die Ware direkt als Rückware abgefertigt wird. Hierfür muss die Ware jedoch zum ursprünglichen Exporteur zurückgesendet werden, und dieser muss die damalige Ausfuhr nachweisen können. Eine solche Praxis ist der Wirtschaft schwer zu vermitteln. Warum sollte der Präferenzstatus einer Ware nach nur einem einzigen Ausfuhr- bzw. Einfuhrvorgang verloren gehen?
Sinnvoller wäre es, wenn die Gewährung reduzierter Zölle allein an die Einhaltung der vereinbarten Ursprungsregeln zum Zeitpunkt der Herstellung der Waren gekoppelt wäre. Anschließend sollten die betreffenden Güter unbegrenzt über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg mit Präferenzzollsätzen zwischen der EU und den jeweiligen Partnern aus- bzw. einführbar sein. Besonders im Abkommen mit dem Vereinigten Königreich wirkt sich das Fehlen einer solchen Möglichkeit für viele Unternehmen in Deutschland und der EU negativ aus.
Kalkulationen für Präferenzen standardisieren
Der Wortlaut von Präferenzerklärungen sollte grundsätzlich so einfach wie möglich gehalten sein. Zudem sollte der Wortlaut in allen Handelsabkommen identisch sein, um ihre Nutzung zu fördern. Derzeit geht der Trend in EU Abkommen aber dahin, unterschiedliche Wortlaute zu verankern. Dies steht dem Ziel entgegen, Bürokratie zu senken und Nutzungsraten von Präferenzen zu erhöhen.
Noch problematischer ist es, zusätzliche Informationen mit der Ursprungserklärung zu verknüpfen. Hier ist insbesondere das Abkommen zwischen der EU und Japan zu nennen. Anders als bei den meisten anderen Abkommen müssen Unternehmen nicht nur erklären, dass es sich um Ursprungsware „EU“ oder „Japan“ handelt. Sie müssen zusätzlich noch die Art der angewendeten Ursprungsregel codieren.
Wird der Ursprung bspw. durch eine zolltarifliche Neueinreihung (sog. Positionswechsel bzw. Tarifsprung) und gleichzeitiger Anwendung der Toleranzregel erworben, lautet die Codierung „C1E“. Diese Informationen erhöhen die Komplexität der Erklärung. Gleichzeitig bieten sie der prüfenden Zollbehörde im Empfangsland kaum einen Mehrwert .Im Falle von Handelsware, die vorab oftmals eine lange Lieferantenkette durchläuft, sind diese Informationen für den letztendlichen Exporteur meist überhaupt nicht verfügbar. Das bereits heute komplexe Nachweissystem der LEen innerhalb der EU ist darauf ebenfalls nicht eingerichtet.
Freigrenze formloser Nachweise für Präferenzen anheben
Die Notwendigkeit, einen förmlichen Präferenznachweis auszufertigen, besteht zurzeit ab einem Warenwert von 6.000 Euro (ausgenommen sind „Ermächtigte Ausführer“). Unterhalb dieser Schwelle ist eine Ursprungserklärung (anstelle z. B. einer EUR.1) auf Handelsdokumenten ausreichend. Diese Freigrenze wurde trotz Inflation seit mehr als 25 Jahren nicht angepasst.
De Facto konnte diese Vereinfachung in den vergangenen Jahren für immer weniger Lieferungen genutzt werden. Es ist höchste Zeit für eine Anhebung dieses Grenzwertes auf 10.000 Euro, so dass Unternehmen, gerade auch KMUs, eigenständig und ohne Mitwirkung der Zollbehörden eine formlose Ursprungserklärung/ Erklärung zum Ursprung auf einem Handelsdokument ausfertigen können.
Fazit
Die Handelsabkommen der EU sind wichtige Stützen zur Absicherung und zum Ausbau des europäischen und deutschen Außenhandels. Gleichzeitig nutzen Unternehmen in der EU, Deutschland und den Partnerländern die vereinbarten Zollvergünstigungen nur unzureichend. Um die Nutzungsraten zu erhöhen, müssen bürokratische Hürden in den Abkommen weiter reduziert und die Bestimmungen stärker an den ganz praktischen Bedürfnissen der Unternehmen ausgerichtet werden, damit diese Präferenzen auch wirklich nutzen können.
Das Kammernetzwerk entwickelt für die Entscheidungsträger und die Zollverwaltung hierzu fortlaufend Vorschläge auf Basis von Rückmeldungen aus der Unternehmerschaft. Die aktuelle Fassung der Ideenvorschläge können Sie bei Interesse hier einsehen: https://www.dihk.de/resource/blob/13324/19105e109bcd5a9a16acb8196e5dc96c/dihk-ideenpapier-handelsabkommen-data.pdf.
Der Autor
Steffen Behm ist seit 2015 Leiter des Referats Zoll beim DIHK. Zu seinen Schwerpunkten gehören die Themen Zollrecht, Warenursprung und Präferenzen sowie die Ausstellung und Bescheinigung von Ursprungszeugnissen und Handelsdokumenten durch die IHK-Organisation. Zuvor betreute er beim DIHK und BDI die wirtschaftlichen Beziehungen mit den Ländern der MENA-Region.
Kontakt:
Tel.: 030 20308 2321
E-Mail: behm.steffen@dihk.de