EXPORT- UND ZOLLPRAXIS KOMPAKT
Umsatzsteuer bei grenzüberschreitenden Transportdienstleistungen
Umsatzsteuerlicher Systemwechsel bei Unterfrachtführern
Text: David Koisiak und Franz Kirch | Foto (Header): © Siwakorn – stock.adobe.com
Beteiligte Frachtführer haben Transportleistungen an Gegenständen der Ein- und Ausfuhr bisher überwiegend durch die Kette umsatzsteuerfrei fakturiert. Für diese Umsätze stehen nun aber erhebliche Umstellungen an: Künftig gilt eine neue Rechtsauffassung der Finanzverwaltung bei Unterfrachtführungsleistungen! Die bisher angewendete Steuerbefreiung weicht nun aus Sicht eines Unterfrachtführers einer Steuerpflicht, d. h., zukünftig ist in bestimmten Konstellationen Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen. Im Fall der Nichtbeachtung dieser Rechtsentwicklung ergeben sich daher erhebliche umsatzsteuerliche Risiken.
Auszug aus:
Zoll.Export
Ausgabe Februar 2022
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Leistungen im Zusammenhang mit der Wareneinfuhr aus dem Drittland bzw. mit der Warenausfuhr in das Drittland, wie z. B. die Beförderung, Lagerung und der Umschlag, sind grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit (vgl. § 4 Nr. 3 Umsatzsteuergesetz [UStG]).
Hintergründe der Umsatzsteuerbefreiung
Nach bisherigem Verständnis galt die Umsatzsteuerbefreiung für alle Beteiligten in der Leistungskette im Zusammenhang mit bei der Ein- und Ausfuhr erbrachten Logistikdienstleistungen. Hierbei besteht eine praktische Herausforderung darin, dass ein Unterfrachtführer oftmals nicht einfach feststellen kann, ob die Ware für die Ausfuhr bestimmt ist bzw. ob die Kosten tatsächlich in die Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer einfließen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein oder mehrere Subunternehmer nur mit Teilleistungen betraut sind (z. B. bezüglich nur inländischer Teilstrecken oder der Lagerung bzw. des Umschlags im Inland).
Praxishinweis: In der Praxis gibt es keinen direkten Königsweg:
- Wird in diesen Fällen aus Vorsichtsgründen seitens der Unterfrachtführer mit Umsatzsteuer abgerechnet, droht beim Hauptfrachtführer die Versagung des Vorsteuerabzugs.
- Wird ohne Umsatzsteuer abgerechnet, drohte bei fehlenden eindeutigen Nachweisen die Nachversteuerung beim Unterfrachtführer. Daher hat sich der sachnähere Hauptfrachtführer schon oft damit geholfen, dass er selbst die Rechnungsstellung in Form von umsatzsteuerlichen Gutschriften übernommen hat.
Die Finanzverwaltung hat sich allerdings nun mit aktuellen Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Urteil L.C. v. 29.06.2017, C-288/16, angeschlossen und den Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) maßgeblich geändert. Hieraus ergeben sich einschneidende Änderungen insbesondere für den Unterfrachtführer.
Komplexe Vorschriften für die Umsatzsteuer
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die vorliegenden Rechtsänderungen ausschließlich Transportdienstleistungen betreffen, die grundsätzlich der deutschen Umsatzsteuer unterliegen können (in Deutschland „steuerbar sind“). Im B2B-Bereich ergibt sich dies überwiegend aus der Ansässigkeit des unternehmerischen Kunden in Deutschland. Die Güterbeförderung muss dabei nicht notwendigerweise das Inland berühren.
Bestimmte in Deutschland „steuerbare“ Umsätze befreit die Umsatzsteuer indes von der Steuerpflicht: Verbringt ein Anbieter z. B. Gegenstände in das Drittlandgebiet, befreit dies nicht nur die Ausfuhrlieferung von der Steuer, sondern auch die weiteren im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Ausfuhr stehenden Leistungen. Als Resultat ist damit eine Doppelbelastung mit Umsatzsteuer im Drittland und im Inland nicht mehr notwendig. Diese Systematik gilt auch bei der Einfuhr in das Inland.
Werden die Kosten von Leistungen als Teil der Bemessungsgrundlage bei der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer erfasst, wird die Doppelbelastung durch die Steuerfreiheit dieser Leistungen vermieden. Ausführer müssen die in Anspruch genommene Steuerbefreiung dabei auch buchmäßig nachweisen. Das BMF hat hier bestimmt, dass grundsätzlich die Vorschriften über den Buchnachweis für Ausfuhrlieferungen bzw. für Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr entsprechend anzuwenden sind.
EuGH-Entscheidung
Der EuGH hatte in einem bereits vier Jahre zurückliegenden Urteil nun die Anwendung dieser Steuerbefreiung für den Unterfrachtführer und dessen Leistungen verneint. Mit dem Urteil in der Rechtssache L.C. v. 29.06.2017, C-288/16, legte der EuGH die Gesetzeslage so aus, dass die Steuerbefreiung für grenzüberschreitende Beförderungen nicht zur Anwendung komme, wenn die Beförderungsleistung nicht unmittelbar an den Versender oder den Empfänger erbracht wird. Der EuGH ist der Auffassung, dass nach dem Wortlaut und dem Zweck der Norm ein solcher unmittelbarer Zusammenhang nicht nur voraussetze, dass die betreffenden Dienstleistungen ihrem Gegenstand nach zur tatsächlichen Durchführung einer Ausfuhr oder Einfuhr beitragen, sondern auch, dass diese Dienstleistungen unmittelbar an den Ausführer, Einführer oder Empfänger der Gegenstände erbracht werden.
Änderung der Finanzverwaltungsauffassung
Die Finanzverwaltung hat das genannte Urteil zum Anlass genommen, die bisherige Rechtsauffassung zu ändern.
BMF-Schreiben vom 06.02.2020
Das BMF hatte hierzu bereits ein erstes BMF-Schreiben im Jahre 2020 veröffentlicht und den UStAE angepasst (vgl. Schreiben v. 06.02.2020 und Abschnitt 4.3.2 Abs. 4 UStAE). So wurde der UStAE um den Hinweis erweitert, dass die nämliche Steuerbefreiung grundsätzlich nur für die Leistungen des Hauptfrachtführers, nicht aber für Leistungen des Unterfrachtführers in Betracht kommt. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist es nun auch nach Ansicht der Finanzverwaltung, dass man die grenzüberschreitende Beförderung oder andere sonstige Leistungen unmittelbar an den Versender oder den Empfänger dieser Gegenstände leisten muss. Grundsätzlich sollten Exporteure diese neue Rechtsansicht auf alle offenen Fälle anwenden. Allerdings war in dem BMF-Schreiben ebenfalls auch eine Nichtbeanstandungsregelung enthalten. Ursprünglich war mit diesem BMF-Schreiben geplant, die Neuregelung bereits ab dem 01.07.2020 anzuwenden. Aufgrund der immensen praktischen Umsetzungsschwierigkeiten wurde die ursprüngliche Nichtbeanstandungsregelung allerdings bis zum 31.12.2021 verlängert (vgl. BMF-Schreiben v. 14.10.2020).
Demzufolge ist es zulässig, wenn vor diesem Datum ausgeführte Umsätze gemäß der bisher geltenden Rechtslage zu Abschnitt 4.3.2 Abs. 4 UStAE angewendet werden, sprich: der Unterfrachtführer weiterhin steuerfrei abrechnet.
Weiteres BMF-Schreiben vom 27.09.2021
Zwischenzeitlich hat die Finanzverwaltung ein weiteres BMF-Schreiben veröffentlicht (vgl. BMF-Schreiben vom 27.09.2021). Mit diesem Schreiben bezieht das BMF die Einschränkung der Steuerbefreiung für Unterfrachtführer nur noch auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausfuhr und Durchfuhr, nimmt aber die Einfuhrfälle wieder heraus. So ist in der Neufassung des UStAE nur noch von der Steuerbefreiung bei grenzüberschreitenden Beförderungen und anderen Leistungen die Rede, die sich unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr oder Durchfuhr beziehen. Das wird auch dadurch deutlich, dass laut BMF der Unternehmer (Hauptfrachtführer) für die Anwendung der Steuerbefreiung durch Belege nachweist, dass er im Sinne von § 4 Nr. 3 Buchstabe a) aa) UStG begünstigte Leistungen unmittelbar an den Versender oder den Empfänger erbringt, etwa durch eine beleghafte Erklärung über eine Versendereigenschaft.
In dem neuen Abschnitt ist zwar mehrmals von „grenzüberschreitenden Beförderungen“ ohne weitere Zuschreibungen die Rede, aber das erfolgt im Abschnitt, der mit den Beförderungen bei Aus- und Durchfuhr zu tun hat (Abschnitt 4.3.4 UStAE) und eben nicht im Abschnitt zu Beförderungen in Zusammenhang mit der Einfuhr (Abs. 4.3.3 UStAE).
Gemischte Sendungen
Das BMF äußert sich auch zu sog. gemischten Sendungen. Bedient sich der Hauptfrachtführer zur Bewirkung des Beförderungserfolgs eines Unterfrachtführers und werden zudem Gegenstände befördert, für die der Hauptfrachtführer der liefernde Unternehmer ist, liegt eine sog. gemischte Sendung vor. In diesem Fall gilt ein Aufteilungsgebot. Lediglich die grenzüberschreitende Beförderungsleistung des Unterfrachtführers bezüglich der Gegenstände, für die der Hauptfrachtführer der liefernde Unternehmer ist, ist steuerfrei. Die Finanzverwaltung beanstandet es jedoch nicht, wenn die Beförderungsleistung insgesamt als steuerpflichtig behandelt wird (Abschnitt 4.3.4 Abs. 3 Satz 6 UStAE).
Praxisfälle
Auf Basis der derzeitigen Verwaltungsmeinung ergeben sich einige praktische Konsequenzen, die durch verschiedene Beispiele erläutert werden sollen.
Beispiel 1
V (Verkäufer) aus Venlo verkauft K (Käufer) aus Kapstadt eine Maschine unter dem Incoterm DAP (Delivered At Place). Für den im November 2021 stattfindenden Transport der Maschine beauftragt V den Hauptfrachtführer H, der wiederum den Unterfrachtführer U für den Transport heranzieht. Sowohl die Leistung des Unterfrachtführers als auch die des Hauptfrachtführers ist in Deutschland steuerbar (§ 3a Abs. 2 UStG), unterliegt also grundsätzlich der deutschen Umsatzsteuer.
Lösung nach bisherigem Recht (und Anwendung der Nichtbeanstandungsregelung):
Die Leistung des H als auch die des U ist steuerfrei. Aufgrund der Nichtbeanstandungsregelung kann auch die Transportleistung im Monat November 2021 noch steuerfrei behandelt werden.
Lösung nach neuem Recht:
Seit dem 01.01.2022 sind die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 a) aa) UStG nicht gegeben, da es mangels direkter Ausführung des Unterfrachtführes an einen Ausführer (also eben nicht an V, sondern „nur“ an H) an der Unmittelbarkeit fehlt. Die sonstige Leistung ist damit steuerpflichtig.
Beispiel 2
V aus Venlo kauft von K aus Kapstadt eine Maschine unter dem Incoterm EXW. Für den im November 2021 stattfindenden Transport der Maschine beauftragt V den Hauptfrachtführer H, der wiederum den Unterfrachtführer U für den Transport heranzieht. Sowohl die Leistung des Unterfrachtführers als auch die des Hauptfrachtführers ist in Deutschland steuerbar (§ 3a Abs. 2 UStG), unterliegen also grundsätzlich der deutschen Umsatzsteuer.
Lösung:
Die Leistung des H als auch die des U ist aufgrund der Klarstellung des BMF weiterhin steuerfrei. Auf die Nichtbeanstandung kommt es nicht an.
Praxishinweis:
Die vorstehenden Beispiele zeigen, dass insbesondere aus Sicht der Unterfrachtführer nunmehr eine Unterscheidung im Hinblick auf den Aspekt „Einfuhr“/„Ausfuhr“ sowie eine Strategie für den Übergangszeitraum zu treffen ist.
Offene Fragen und Ausblick
Die vorliegende Rechtsentwicklung hat zu einem umsatzsteuerrechtlichen Systemwechsel bei der grenzüberschreitenden Beförderung durch Unterfrachtführer geführt. Allerdings haben sowohl die Rechtsprechung als auch erst recht die Finanzverwaltung die praktischen Herausforderungen für die betroffenen Unternehmer unterschätzt. Der Unterfrachtführer ist jetzt nicht mehr nur mit der Frage der Steuerbefreiung oder Steuerpflicht konfrontiert, sondern muss zudem unterscheiden, ob es sich um Güter der Einfuhr oder Ausfuhr handelt.
Zudem muss er beachten, dass sich der Begriff des “Versenders” (=liefernde Unternehmer) von dem frachtrechtlichen Begriff als Auftraggeber des Speditionsvertrages unterscheidet. Außerdem gilt es rechtliche Fragen zu klären, z. B. inwiefern sich eine bestehende umsatzsteuerliche Organschaft zwischen Hauptfrachtführer- und Versender / Empfänger auf die Steuerfindung auswirkt.
Aktuelle Einschränkung bleibt fragwürdig
Auch der Hintergrund der aktuellen Einschränkung der Finanzverwaltungsauffassung auf die Ausfuhren bleibt erklärungsbedürftig. Es stellt sich die Frage, ob die Beschränkung durch die Finanzverwaltung ausschließlich auf „Ausfuhren“ auch tatsächlich der Rechtsansicht des EuGH entspricht. Zwar argumentiert der EuGH im Wesentlichen mit dem Bestimmungsortsprinzip in Zusammenhang mit Ausfuhren; die betreffende Bestimmung ergänze die Steuerbefreiung der Ausfuhr (Art. 146 Abs. 1 lit. a MwStSystRL).
Im Leitsatz heißt es dann auch lediglich, dass „Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL [nicht] auf eine Dienstleistung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende betreffend einen Umsatz in Form der Beförderung von Gegenständen in einen Drittstaat […] zur Anwendung kommt, wenn die betreffenden Dienste nicht unmittelbar an den Versender oder den Empfänger dieser Gegenstände geleistet werden.“
Besonderheit Einfuhrfälle
Der EuGH bezieht in seiner Urteilsbegründung aber auch Einfuhrfälle mit ein. In der Begründung des Urteils heißt es beispielsweise, dass „ein unmittelbarer Zusammenhang nicht nur voraussetzt, dass die betreffenden Dienstleistungen ihrem Gegenstand nach zur tatsächlichen Durchführung einer Ausfuhr oder Einfuhr beitragen, sondern auch, dass diese Dienstleistungen unmittelbar an – je nachdem – den Ausführer, den Einführer oder den Empfänger der Gegenstände, auf die sich diese Bestimmung bezieht, erbracht werden“.
Es wäre vor diesem Hintergrund der Begründung auch argumentierbar gewesen, die Einschränkung der Befreiung auf den gesamten § 4 Nr. 3 lit. a UStG, also auch auf Einfuhren anzuwenden.
Fazit
Das letzte Wort zu dieser Thematik ist sicherlich noch nicht gesprochen. Insbesondere im Hinblick auf evtl. zukünftig zu Unrecht als steuerfrei behandelte Transportleistungen mag dieser Punkt noch einmal in der Verteidigungsberatung relevant werden. Im Hinblick auf zukünftige Sachverhalte sollten jedenfalls Unterfrachtführer schnellstmöglich den erforderlichen Anpassungsbedarf in der Steuerfindung überprüfen.
Die Autoren
David Koisiak, RA/StB ist bei der PwC GmbH, WPG im Bereich Indirect Tax tätig. Er ist spezialisiert auf die umsatzsteuerliche Beratung nationaler und internationaler Unternehmen.
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Franz Kirch, RA/StB ist bei der PwC GmbH, WPG im Bereich Indirect Tax tätig. Er ist spezialisiert auf die umsatzsteuerliche Beratung nationaler und internationaler Unternehmen.
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